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Mistreß Branican

Mistreß Branican

Titel: Mistreß Branican Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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eigenthümliche Wolke, die man nicht mit jenen Dämpfen vergleichen konnte, welche von der Erde zum Himmel emporsteigen. Es war eher ein dicker Qualm, wie er sich über abgeschossenen Kanonen erhebt. Was den Lärm anbelangt, der dieser Staubwolke entstieg – wie hätte man daran zweifeln können, daß es eine Staubwolke war? – so wuchs er deutlich und hörte sich an, als ob mehrere Regimenter Cavallerie dahergeritten kämen. Woher kam das?
    »Ich weiß es… Ich habe es schon einmal gesehen!… Das sind Schafe! rief Tom Marix.
    – Schafe? rief Godfrey lächelnd. Wenn das nur Schafe wären!
    – Lachen Sie nicht, Godfrey erwiderte der Führer der Escorte. Es sind vielleicht Tausende und Abertausende von Schafen, die vor Entsetzen fliehen… Sie stürzen wie eine Lawine dahin und vernichten Alles auf ihrer Flucht.«
    Tom Marix übertrieb nicht. Wenn diese Thiere aus einem oder dem anderen Grunde – was oft im Innern der »Runs« vorkommt – scheu werden, so kann sie nichts aufhalten, sie stürzen die Barrièren um und entfliehen. Ein altes Sprichwort sagt: »Vor den Schafen hält der Wagen des Königs«, und es ist wahr, eine Heerde solcher Thiere läßt sich eher todtschlagen, als daß sie Platz machte. Da sich diese Wolke zwei bis drei Meilen ausdehnte, so konnte man annehmen, daß irgend ein panischer Schrecken Hunderttausende dieser Thiere gegen die Karawane treibe. Sie rannten wie wahnsinnig von Norden nach Süden und würden erst in dem Augenblicke Halt machen, wo sie erschöpft zusammenbrachen.
    »Was ist da zu thun? fragte Zach Fren.
    – Sich so gut als möglich zu schützen,« erwiderte Tom Marix.
    Da nichts anderes zu machen war, so trafen sie gleich alle Maßregeln, denn die Lawine der Schafe war nur noch zwei Meilen entfernt; die Wolke stieg mächtig zum Himmel empor und aus dieser erscholl ein furchtbares Blöken. Die Wagen wurden rasch gegen eine Hügellehne geschoben und die Treiber und Reiter zwangen die Pferde und Ochsen, sich auf der Erde auszustrecken, um so dem Ansturme besser widerstehen zu können, der über ihrem Kopfe dahingehen mußte. Die Menschen drängten sich an die Berglehne hin und Godfrey stellte sich dicht neben Dolly, um sie, wenn nothwendig, zu beschützen.
    Unterdessen hatte Tom Marix die kleine Anhöhe noch einmal bestiegen und sah über die Ebene hin, welche »blökte«, wie das Meer unter einem Sturme brüllt. Die Heerde kam mit furchtbarem Getöse daher und füllte ein Drittel des ganzen Horizontes aus. In weniger als zwei Minuten mußte sie bei dem Berge sein.
    »Achtung! Da sind sie!« rief Tom Marix.
    Schnell eilte er zu der Stelle, wo Mrs. Branican, Jane, Godfrey und Zach Fren dicht nebeneinander standen.
    Fast zu gleicher Zeit kam die erste Heerde dahergestürmt; sie hielt nicht ein und würde auch nicht eingehalten haben. Die vordersten Thiere stürzten den Abhang hinab und einige Hundert fielen hin, da ihnen der Boden unter den Füßen fehlte. In das Blöken mischte sich das Wiehern der Pferde, das Brüllen der Ochsen, die von Entsetzen ergriffen waren. Man sah nichts in dieser furchtbaren Staubwolke, während die Lawine den Abhang in unwiderstehlichem Laufe hinunterstürzte: es war ein daherbrausender Sturzbach von Schafen.
    Das dauerte ungefähr fünf Minuten, und Tom Marix, Godfrey und Zach Fren, die sich zuerst erhoben, sahen die letzten Reihen gegen Süden weiter eilen.
    »Auf!… Auf!« rief der Führer der Escorte.
    Alle erhoben sich. Einige Quetschungen und ein wenig Schaden an den Wagen war Alles, was, Dank dem Schutze dieses Abhanges, die Schafe an Menschen und Material der Karawane zufügten.
    Tom Marix, Godfrey und Zach Fren stiegen sofort den Hügel hinauf.
    Gegen Süden verschwand die fliehende Truppe wie ein Vorhang sandigen Staubes; gegen Norden dehnte sich endlos die weite Ebene aus.
    Aber plötzlich rief Godfrey:
    »Dort!… Sehen Sie dort!«
    In einer Entfernung von ungefähr zweihundert Schritten lagen zwei Menschen – gewiß Eingeborne, die von den Schafen umgeworfen und zertreten worden waren.
    Tom Marix und Godfrey eilten hin.
    Welche Ueberraschung! Jos Meritt und sein Bedienter Gîn-Ghi lagen leblos da…
    Sie athmeten aber noch, und durch schleunige Hilfe erholten sie sich bald von dem furchtbaren Zusammenstoße. Kaum schlugen sie die Augen auf, so erhoben sie sich, so viel Quetschungen sie auch erhalten hatten.
    »O!… Gut!… Sehr gut!« sagte Jos Meritt.
    Dann drehte er sich um.
    »Und Gîn-Ghi? fragte er.
    – Gîn-Ghi ist da… oder

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