Mit 50 hat man noch Träume
chinesischen Frühstück? Kommen Sie doch mit, dann kann ich Ihnen gleich
meine Familie vorstellen, nun, da wir Nachbarn sind.« Die Übungen hatten ihn entspannt.
Schade, dass sie kein goldblondes Haar hatte wie die beiden anderen, aber ihm gefielen
ihre olivgrünen Augen, die ihn klar und ruhig anblickten. »Es gibt Sojamilch und
dazu Baozi«, erklärte er.
»Baozi?«
Bruni konnte mit dem Wort nichts anfangen. »Was ist das?«
»Eine Art
Mantou, chinesisches Brot. Die Baozi sind unterschiedlich gefüllt, heute mit süßer
roter Bohnenpaste.«
Bruni musste
sich unwillkürlich schütteln. »Rote Bohnenpaste?« Sie zögerte kurz, dann lachte
sie. »Wieso nicht? Ich nehme die Einladung gern an.« Insgeheim hoffte sie, dass
sie diese Teile überhaupt herunterbekommen würde.
Gemeinsam
schlenderten sie die Ahrpromenade entlang und sie musterte ihn heimlich. Er sah
ungewöhnlich gut aus. Er war groß gewachsen, nicht so klein und schmächtig wie die,
die sie sonst gesehen hatte, in Chinarestaurants oder vor dem Kölner Dom. Sein Haar
war dicht und schwarz, er hatte tiefbraune Augen und unter dem T-Shirt, das er trug,
ließ sich ein muskulöser Oberkörper erahnen. Seine Gesichtshaut war ungewöhnlich
glatt, aber das passte zu dem, was Bruni gelesen hatte. Demnach besaßen die Chinesen
genetisch bedingt nur einen sehr spärlichen Bartwuchs. Unauffällig sah sie genauer
hin und stellte fest, dass tatsächlich keine einzige Bartstoppel sein Gesicht zierte.
Nachdem
sie überschwänglich von Wangs überraschter Familie begrüßt worden war, die sich
bereits um den Frühstückstisch versammelt hatte, musste sie mehrfach den lebhaften
sechs- und achtjährigen Kindern von Wang Sans älterem Bruder, die sie aus großen
Augen musterten und hinter vorgehaltener Hand tuschelten, ihren Namen vorsagen.
Es dauerte eine ganze Weile, bis sie ihn halbwegs richtig aussprachen und es sich
nicht mehr allzu sehr nach Bluni anhörte. Schließlich biss sie beherzt in
ihr Baozi. Sie fand es gewöhnungsbedürftig, verzog aber keine Miene. Es war das
erste Mal, dass sie mit Chinesen in deren Privaträumen an einem Tisch saß. Wang
Sans Mutter bot ihr ein weiteres Stück an, aber Bruni wehrte höflich mit den Worten
ab, sie sei schon satt. Sie hielt sich an die Schale mit heißer Sojamilch, die ihr
entschieden besser schmeckte. Lao Wang und seine Frau Zhang Liu schmatzten und schlürften,
was das Zeug hielt.
Irgendwann
begann Zhang Liu damit, Bruni und ihre Freundinnen mit breitem Lächeln für ihren
Fleiß zu loben, und bald schon wollte sie wissen, was im ›Ahrstübchen‹ auf der Speisekarte
stand.
Bruni runzelte
die Stirn und grübelte, denn sie wusste es nicht. In den letzten Tagen hatte sie
die Küchenangelegenheiten weitgehend Bea und Ulrike überlassen und sich ihrem Artikel
über Frauenglück gewidmet. Sie hatte deswegen Stress mit Bea gehabt, die sie gedrängt
hatte, wenigstens die Einkäufe zu erledigen, aber letztendlich hatte sie sie in
Ruhe gelassen. Sie hatte den Eindruck, dass die Nerven der Freundin in letzter Zeit
ungewöhnlich oft blank lagen, aber sie erklärte es sich mit der Aufregung rund um
die Eröffnung des ›Ahrstübchens‹, die immer näher rückte.
Aus Essen
hatte Bruni sich noch nie allzu viel gemacht. In Köln ernährte sie sich überwiegend
von Reis und Gemüse, was sie praktisch fand, weil es sich schnell zubereiten ließ
und gesund war. Sie gab es ohne Umschweife zu: Sie brauchte keine Garnelen und erst
recht keinen Kaviar, und von dem Geld, das sie verdiente, konnte sie sich sowieso
keine teuren Lebensmittel leisten. Bruni seufzte. Da sie selbst zwischendurch immer
mal wieder von Hartz IV leben musste, weil sie keinen ihrer Artikel losgeworden
war oder gerade keinen Lehrauftrag an der Uni hatte, wurde sie wenigstens nicht
in Versuchung geführt.
Zhang Liu
wiederholte ihre Frage noch einmal und Bruni zuckte zusammen. Irgendwie fand sie
diese Neugier irritierend. Sie murmelte ausweichend etwas von Flammkuchen und Forellen,
und Zhang Liu fragte weiter, ob sie Kinder hätte.
»Nein, und
ich bin auch nicht verheiratet«, antwortete sie vorausschauend.
Liu sah
sie an, als käme sie von einem anderen Stern. Die Antwort machte sie zu einem Wesen,
das Lebensglück gar nicht kennen konnte und dessen Daseinszweck völlig verfehlt
war.
»Meine Freundin
Caro lebt ebenfalls allein, sie hat eine Tochter, und die ist unehelich«, erzählte
Bruni in einem Anflug von Schadenfreude. Sie holte noch weiter aus. »Die
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