Mit 50 hat man noch Träume
vergingen
einige Minuten, in denen sie schweigend nebeneinander verharrten und das Spiel verfolgten,
das längst entschieden war. Irgendwann wandte er den Kopf und fragte: »Waren Sie
zufrieden mit der Eröffnung Ihres Restaurants?«
Sie stutzte
einen Augenblick, dann antwortete sie geradeheraus: »Nein. Überhaupt nicht.«
»Dachte
ich mir schon. Es wird schwer werden, sich in Altenahr zu etablieren.«
»Warum?«
»Berührungsängste.«
Er wandte sich ihr zu und ein breites Lächeln erschien auf seinem Gesicht. »Ich
heiße übrigens Johannes, Johannes Frier. Nennen Sie mich einfach Jo.«
Bea blinzelte.
»Beatrice Knoll. Nennen Sie mich einfach Bea.«
Beide konzentrierten
sich wieder auf das Spiel.
»Wohnen
Sie in Altenahr?«, fragte sie nach einer Weile.
Er schüttelte
den Kopf. »Nein, das ist nichts für mich. Zu viele Touristen, zu viele Stützstrumpfparties,
und die Köpfe der Einheimischen oft so verbaut wie die Fachwerkhäuschen. Ich wohne
in Hürnig, das ist ein kleiner Ort oberhalb von Ahrbrück. Er liegt fast 500 Meter
hoch, herrliche Gegend.«
Die Fans
des 1. FFC begannen mit den Füßen zu trampeln und zu johlen, und plötzlich erfüllte
Jubel das Stadion. Der 1. FFC hatte sein fünftes Tor geschossen. Bea verzog das
Gesicht, aber die Frankfurterinnen hatten den Sieg klar verdient. Nach wenigen Minuten
ertönte der Schlusspfiff. Die Zuschauer erhoben sich von den Bänken, und unterschiedlichste
Kommentare von ›Eintracht Neuenahr‹-Anhängern drangen an Beas Ohr, während sie sich
bereit machten, zu gehen.
»Schwaches
Spiel.«
»Wenn die
so weiter machen …«
»Ohne die
Koreanerin ist der Ofen bald ganz aus …«
»Wenigstens
hat Rena Schoeßling ihren Vertrag um zwei Jahre verlängert.«
»Die Nationalspielerin?«
»Ja.«
Bea, Jo,
Caro, Christine und Lars Schäfer gingen die Stufen der Tribüne hinunter und verließen
das Stadion Richtung Parkplatz.
»Wenn jetzt
auch noch der Sponsor abspringt, dann hat der Verein wirklich ein Problem.«
»Ich habe
davon gehört«, sagte Jo und fragte nach: »Ist das nur ein Gerücht oder ist da ernsthaft
etwas dran?«
»Es scheint
ernst zu sein.« Christine Schäfers Augen folgten ihrem Mann, der zusammen mit Caro
vor ihnen ging und sich angeregt mit ihr zu unterhalten schien.
»Ein Nachfolgesponsor
ist noch nicht in Sicht?«
»Soweit
ich weiß, nicht.«
»Wir stehen
da vorn.« Bea sah Johannes Frier an und deutete mit der Hand auf eine Parkplatzreihe
rechts von ihnen. Sie fragte sich, wie alt er wohl sein mochte und schätzte ihn
auf Mitte 50.
»Ich parke
dort drüben.« Er zeigte in die entgegengesetzte Richtung und lächelte sie an. »Es
war mir ein Vergnügen.«
Sie wartete
darauf, dass er noch etwas sagte, aber es kam nichts, und so reichte sie ihm die
Hand. »Ich habe mich auch gefreut, Sie kennenzulernen. Wenn Sie Lust haben, kommen
Sie doch bald einfach mal wieder im ›Ahrstübchen‹ vorbei.«
Johannes
Frier richtete seine dunklen Augen auf sie, und sein ernster, durchdringender Blick
bewirkte, dass sie sich fühlte, als habe jemand das Licht angeknipst.
»Gern.«
Ohne ein weiteres Wort drehte er sich um und schlenderte langsam davon.
16
Bea blickte hinunter auf Altenahr,
wo ihre Freundinnen jetzt im ›Ahrstübchen‹ versuchten, Umsatz zu machen. Ihre Zusammenarbeit
und das Zusammenleben hatte sich eingespielt, auch wenn Bruni nach wie vor am liebsten
hinterm Schreibtisch saß. Aber sie hatte in den oberen Privaträumen zu aller Freude
eine kleine Bibliothek eingerichtet, aus der sich inzwischen nicht nur die Freundinnen,
sondern auch einige Mitglieder des Landfrauenvereins bedienten. Bruni hatte eine
bunte Auswahl zusammengestellt. Die Palette reichte von anspruchsvoller Unterhaltungsliteratur
bis hin zu feministisch orientierten und philosophischen Fachschriften. Zeit zum
Lesen blieb zwar nicht viel, da sie früh aufstanden und der Tag mit Arbeit rund
um das Restaurant ausgefüllt war, aber für einige Seiten vorm Einschlafen reichte
es meist noch.
Nach dem
Fußballspiel und der Begegnung mit Johannes Frier hatte sie das Bedürfnis gehabt,
allein zu sein, und so hatte Caro sie nach Altenahr gebracht und sie war zur Burg
Are gewandert. Sie war allein hier heute Nachmittag, und sie war froh darüber. Ihr
Blick wanderte hinüber zu den Weinbergen, die immer noch kahl aussahen, das Grün
der Rebblätter ließ in diesem Jahr auf sich warten.
Sie schloss
die Augen, die Stille um sie herum tat ihr wohl. Hin und wieder
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