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Mit 50 hat man noch Träume

Mit 50 hat man noch Träume

Titel: Mit 50 hat man noch Träume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bärbel Böcker
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hin zur Kreisverwaltung in Ahrweiler
heißt das, es wird ein wenig ungemütlich werden.« Sie spann den Gedanken weiter
und sagte: »Der Blick wird von der fehlenden Baugenehmigung hin auf eine größere
Fragestellung gelenkt: Inwieweit haben fremde Kulturen, wenn schon keinen rechtlichen,
so doch einen moralischen Anspruch auf Ausübung ihrer Religion in einem fremden
Land? Die Diskussion könnte dazu führen, dass der Tempel im besten Fall …«
    »Mir kommt
gerade die zentrale Großmoschee in Köln in den Sinn«, unterbrach Bruni sie.
    »Die Kölner
Moschee wird gebaut, sie ist schon fast fertig«, erwiderte Wang San und umfasste
mit beiden Händen seine Kaffeetasse. Vorsichtig sog er das heiße Getränk zwischen
die Lippen. Sein Schlürfen füllte die Stille und Bruni fragte sich, ob sie sich
daran wohl gewöhnen könnte. Alle Wangs schlürften, wie so viele Chinesen. Warum
hatte er noch nicht gelernt, dass so etwas in Deutschland gegen die guten Sitten
verstieß?
    »Wie habt
ihr das mit der Presse hingekriegt?« Bea richtete ihren fragenden Blick auf Wang
San.
    »Ein Journalist
und Autor aus Hürnig, den wir gut kennen, macht sich für uns stark. Er wird einige
Artikel über den Tempelbau schreiben, außerdem hat er seine Kontakte zu Kollegen
im Hörfunk und TV spielen lassen, und es scheint zu funktionieren.«
    Bea fühlte
einen leichten Schwindel. »Aus Hürnig? Du meinst doch nicht etwa Johannes Frier?«
    »Doch, genau
den meine ich. Er ist Stammgast bei uns.« Mei Ling nickte und strahlte über das
ganze Gesicht.
    Eigentlich
wunderte es sie nicht, dass er sich für die Wangs einsetzte. Bea lächelte. Wenn
sie es recht überlegte, hätte sie auch nichts anderes von ihm erwartet, und dass
er seine Medienkontakte für die Chinesen spielen ließ, sprach für ihn. Das gefiel
ihr, aber sie hatte ja schon immer ein Faible für Männer gehabt, die schnell Entscheidungen
trafen und engagiert waren. Irgendwie fühlte sie sich von der Nachricht animiert,
und nach einem Moment sagte sie, mit einem Leuchten in den Augen, das alle am Tisch
aufmerken ließ: »Was haltet ihr davon, wenn wir noch eine kleine Bürgerinitiative
ins Leben rufen? Dann mischen wir den Laden hier mal so richtig auf.«

28
     
    Drei Tage später hingen überall
in der Verbandsgemeinde die Plakate. Der Tempel prangte in ganzer Pracht in ihrer
Mitte, darüber hieß es in roter Schrift: TEMPEL IN ALTENAHR, darunter war schlicht
die Frage zu lesen: WARUM NICHT? Sie waren in Altenahr und in Mayschoß präsent,
in Dernau und in Rech, und in vielen Orten mehr, die zur Verbandsgemeinde gehörten.
    Bea hatte
in Windeseile einen Grafiker mit dem Layout beauftragt, den sie von ihrer Tätigkeit
bei Best Promotion kannte, und mit dem sie gern zusammengearbeitet hatte.
Gedruckt worden waren sie in einer Schnelldruckerei in Ahrweiler.
    Caro und
Ulrike waren in aller Frühe mit Ben Stur und einigen seiner Freunde aus dem Fußballverein
losgefahren, um die Plakate an Bäume und Zäune zu pinnen.
    Die Freundinnen,
allen voran Bea, hatten eine Unterschriftenaktion ins Leben gerufen, die eine rückwirkende
Baugenehmigung für den Tempel forderte. Als Kooperationspartner hatten sie die Initiative Gegen Rechts gewonnen, die bereits seit einigen Jahren existierte und sich
gegen rechtsradikale Strömungen in der Bevölkerung, speziell in der Jugend, engagierte.
    Bruni hatte
vor dem Landfrauenverein ihren Vortrag über Religionsfreiheit und Integration von
Fremden gehalten, und tatsächlich hatte ein Drittel der Frauen eine Unterschrift
gegen den Abriss des Tempels geleistet. Insbesondere Christine Schäfer hatte sich
für die Akzeptanz des Bauwerks eingesetzt, sie war in Altenahr zur Trendsetterin
und Meinungsbildnerin zugleich geworden, und letztendlich war es ihr zu verdanken,
dass an dem Abend, als der Landfrauenverein im ›Ahrstübchen‹ tagte, das eine oder
andere Mitglied umgestimmt werden konnte.
    Der Tempel
erhitzte die Gemüter. Wo immer man hinhörte, war er Gesprächsthema Nummer eins.

29
     
    Wang San trug Cowboystiefel, und
in seinem schwarzen Haar steckte eine Feder. Bruni traute ihren Augen nicht und
kniff sie unwillkürlich zusammen. Wang San hier? Sie konnte den Blick kaum
von ihm lösen, denn das Bild, das sich ihr bot, war bizarr. Vor sich sah sie einen
Chinesen im Western-Outfit, der zusammen mit einigen anderen auf einer Holzbühne
Line Dance tanzte, zu einem Stück von Johnny Cash, das von einem 70-Jährigen mit
Cowboyhut und brüchiger, aber

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