Mit 50 hat man noch Träume
sie am Ärmel und hielt sie zurück.
»Lass es sein«, beschwor sie sie eindringlich und fügte leise hinzu: »Das bringt
nichts.«
»Warum?«
Caros Stimme war laut geworden, empört schüttelte sie Beas Arm ab.
»Denk an
das ›Ahrstübchen‹. Oder willst du, dass wir morgen hier im Ort völlig unten durch
sind? Wenn wir uns jetzt mit ihnen anlegen, geht das herum wie ein Lauffeuer, und
dann können wir wirklich bald einpacken. Aus der Traum vom schönen Landleben«, raunte
Bea scharf.
»So wie
sich das hier darstellt, kann ich auch gern darauf verzichten!« Caro schüttelte
Beas Arm ab und ging mit energischen Schritten hin zu Ines Schmitz und ihrer Bekannten.
»Gibt es sonst noch irgendwelche Unverschämtheiten, die Sie über uns verbreiten
möchten? Bitte! Jetzt wäre dazu die Gelegenheit!« Wutentbrannt starrte Caro die
Frauen an. Mit aufgerissenen Augen murmelten sie erschrocken etwas Unverständliches
vor sich hin und machten dann auf dem Absatz kehrt. Caro rang nach Luft. Sie benötigte
einen Moment, um zu entscheiden, was sie jetzt tun sollte: Den Frauen hinterherrennen
und sie weiter herunterzuputzen, oder sich zu beruhigen. Schließlich ging sie mit
hochrotem Kopf zu Bea zurück, raunte »Feigling«, und setzte der Freundin mit verächtlicher
Miene den Korb mit den Weinflaschen vor die Füße.
Bea lehnte
sich mit dem Rücken an das Regal und schloss die Augen. Während sie versuchte, ihren
Herzschlag zu normalisieren, hörte sie Caro laut und in schneidendem Tonfall sagen:
»Auf Wiedersehen, die Damen!«
27
Die Kunde, dass die Baugenehmigung
für den Tempel nicht erteilt worden war, breitete sich wie ein Lauffeuer aus. Mei
Ling und Wang San kamen herüber, um es ihnen persönlich zu sagen. Sie machten einen
gefassten Eindruck, aber Bruni bemerkte Wang Sans geballte Fäuste, die unter dem
Tisch auf seinen Beinen lagen, und deutete dies als Zeichen dafür, dass der Kampf
noch nicht beendet war, auch wirkten Wang Sans und Mei Lings Züge irgendwie alarmierend.
»Und nun?«,
fragte sie vorsichtig. »Was habt ihr vor?«
»Wir können
gegen den Bescheid innerhalb der nächsten vier Wochen bei der Kreisverwaltung Ahrweiler
Widerspruch einlegen«, erwiderte Wang San mit flackerndem Blick.
»Was wir
selbstverständlich tun werden«, versetzte Mei Ling und fügte hinzu: »Es war uns
zwar von vornherein klar, dass sie nachträglich für den Tempel keine Baugenehmigung
erteilen würden, aber wir haben vier Wochen Zeit gewonnen und die werden wir nutzen.«
»Ihr führt
etwas im Schilde?«, fragte Bea mit hoch gezogenen Augenbrauen.
Wang San
sah sie an, und verengte seine Augen. »Genau, es gibt einen Plan B.«
»Und der
lautet?«, fragte Bruni. Wang Sans dunkles, kurzes Haar stand wirr zu allen Seiten
ab, gern hätte sie sanft mit der Hand darübergestrichen, um es zu glätten.
Er nickte
seiner Schwester zu, die nun das Wort übernahm. »Erinnert ihr euch noch an das Thema Minarettbau in der Schweiz ?«
»Klar«,
sagten Bruni, Bea, Caro und Ulrike wie aus einem Munde, und Bruni murmelte: »Die
Schweizer haben 2009 mit einer Volksabstimmung verhindert, dass bei ihnen Minarette
gebaut werden dürfen. So war es doch, oder?«
»Genau.«
Mei Ling nickte.
»Das Wort
›Minarettverbot‹ wurde danach übrigens in der deutschen Schweiz zum Wort des Jahres«,
klärte Wang San sie auf und grinste schief. »Der Unterschied: Unser buddhistischer
Tempel steht bereits.« Er blickte von einer zur anderen.
»Verstehe
ich nicht«, sagte Bruni. Sie und ihre Freundinnen sahen ihn verständnislos an.
Wang San
hatte ausführlich mit seiner Familie darüber diskutiert, wie sie vorgehen wollten.
Sie hatten das Für und Wider abgewogen und sich schließlich für die Konfrontation
entschieden, außerdem hatten sie sich einen einflussreichen Verbündeten gesucht.
Jemanden, der gute Kontakte hatte, in die Politik wie zu den Medien. Er schwieg
einen Moment, bevor er ausholte und erklärte: »Morgen gibt es ein Pressefeuerwerk.
Überall in der Region wird über den Tempel berichtet. Er wird Thema sein, in wenigen
Tagen schon über die Grenzen Altenahrs hinaus. In den Printmedien, im Hörfunk und
im Fernsehen wird man über Integrationspolitik und Solidarität mit Außenseitern
diskutieren.«
»Wie, wieso?«
Die Freundinnen schnappten nach Luft.
»Wir haben
uns eben gekümmert …«
»Dann habt
ihr ja ganze Arbeit geleistet«, lobte Bruni anerkennend, und Bea fügte hinzu: »Hut
ab. Für die Lokalpolitiker in Altenahr bis
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