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Mit 50 hat man noch Träume

Mit 50 hat man noch Träume

Titel: Mit 50 hat man noch Träume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bärbel Böcker
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wird
…«
    Während
Lilly auf dem Kolben herumkaute, äußerte sie missmutig: »Meine Mutter macht immer
solche Sachen. Du weißt heute nicht, was ihr morgen einfällt.«
    »So.« Bruni
nickte.
    »Es hat
natürlich auch etwas Tolles, ihre Spontaneität und ihre Neugier auf alles«, ergänzte
Lilly, als wolle sie wieder gutmachen, dass sie eine Indiskretion begangen hatte.
Sie sagte: »Meine Mutter hat sich im Innersten etwas Jugendliches bewahrt. Aber
ehrlich gesagt, mein Ding ist das hier nicht. Sie wollte unbedingt mal mit mir ausgehen,
und da habe ich ihr den Gefallen eben getan …«
    »So.« Bruni
hörte nicht richtig hin. Sie konnte den Blick nicht von der Tanzfläche wenden.
    »Geht es
dir nicht gut? Ist irgendetwas?« Über ihren Maiskolben hinweg betrachtete Lilly
die Freundin ihrer Mutter mit einem prüfenden Blick, aber sie erhielt keine Antwort,
und so kaute sie weiter still vor sich hin.
    Der letzte
Ton der Musik verklang. Bruni überlegte hektisch, ob sie bleiben oder rasch verschwinden
sollte. Wollte sie den beiden jetzt gegenübertreten? Sich ihrer Fröhlichkeit ausliefern,
ohne eine Chance, daran teilzuhaben? Stünde sie nicht da wie eine Idiotin und wäre
es nicht klüger, ihnen allen diese Peinlichkeit zu ersparen? Warum war sie nur hierhergekommen?
Sie atmete tief durch. In einer schnellen Geste zog sie einen Schein aus dem Portemonnaie
und legte ihn auf den Tisch, und bevor Lilly auch nur noch einen Ton sagen konnte,
hatte sie dem Western Saloon den Rücken gekehrt und war verschwunden.

30
     
    Heute früh hatte sie nicht mit Wang
San zusammen auf das Jadekissen geklopft. Stattdessen hatte sie eine Qi-Gong-Übung
aus dem ›Spiel der 5 Tiere‹ durchgeführt, die Kranichübung, denn sie hatte an diesem
Morgen das dringende Bedürfnis, die Eigenschaften, die die Chinesen dem Vogel zuschrieben,
in sich aufzunehmen: Ruhe, Gelassenheit und Leichtigkeit, außerdem auch Standfestigkeit,
denn auf der Erde stand der Kranich fest und unerschütterlich sogar auf nur einem
Bein.
    Nach einer
schlechten Nacht, die sie zum großen Teil damit verbracht hatte, die Interviews,
die sie mit einigen Landfrauen geführt hatte, auszuwerten und die Ergebnisse in
groben Zügen zu skizzieren, war sie irgendwann gegen Morgen für zwei Stunden eingeschlafen.
Gegen 3 Uhr hatte sie Caros und Lillys Heimkehr gehört, weil die Hunde vor Freude
gejault hatten, und sie hatte ernsthaft mit sich gerungen, ob sie Caro zur Rede
stellen sollte oder nicht. Sie hatte sich dagegen entschieden, denn sie kannte sich.
Wäre sie mitten in der Nacht hinaus auf den Flur getreten, hätte sie sich vermutlich
nicht beherrschen können, sie hätte die Freundin des Verrats bezichtigt, und die
Auseinandersetzung wäre in einem üblen Streit geendet. Hinzu kam, dass Bruni sich
über sich selber ärgerte. Warum ließ sie es zu, dass ihre Gefühle für Wang San so
viel Raum einnahmen? Dass der Blick seiner sanften Chinesenaugen plötzlich wieder
die Sehnsucht in ihr weckte? Jahrelang war sie gut ohne Beziehung klar gekommen,
was sollten also diese Frühlingsgefühle jetzt? Schuld waren vermutlich die Hormone,
im Endeffekt lag alles nur an den Hormonen. Jeder Gedanke, jedes Gefühl wurde von
ihnen gesteuert. War zu viel Testosteron im Blut, wurde man aggressiv, ein Überschuss
an Östrogen hingegen machte einen in manchen Fällen zur Heulsuse. Sie schüttelte
unwillig den Kopf. Kaum war sie in den Wechseljahren, da fuhren ihre Gefühle Achterbahn.
Sie hatte sich mittlerweile einige Literatur über Hormonersatztherapien und alternative
Behandlungsmethoden der Wechseljahresbeschwerden schicken lassen, darunter dicke
Wälzer über Akupunktur, chinesische Kräuterheilkunde und Bücher über den Zusammenhang
zwischen Wechseljahresbeschwerden und Ernährung. Soja, frisch gemahlener Leinsamen
und Nahrungsmittel, die Bioflavonoide enthalten, sollten hilfreich sein. Ihnen wurde
die Fähigkeit zugeschrieben, ein Gleichgewicht der Hormone herzustellen und die
Beckenorgane zu stärken. Die weiße innere Schicht von Orangen und Zitronen sollte
reich an diesen Substanzen sein, und Bruni nahm sich vor, im Laufe des Tages einen
ganzen Schwung davon zu kaufen. Außerdem macht sauer lustig, dachte sie.
    Jetzt, da
sie draußen auf der Terrasse in der frischen Morgenluft den Besen schwang, fühlte
Bruni sich dank der Kranichübung schon etwas besser. Sie sagte sich, dass Caro tun
und lassen konnte, was sie wollte, es war ihr gutes Recht. Sie sah hin zu Mr. Fred
und

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