Mit 50 hat man noch Träume
achteten auf jeden Cent, den sie ausgaben, vermutlich
ein Zeichen der Finanz- und Wirtschaftskrise, obwohl es laut Medienberichten ja
wieder langsam bergauf ging. Ihre Gäste begnügten sich oft mit einer Apfelschorle
oder einem Glas Wein, manchmal aßen sie eine Suppe oder eine andere Kleinigkeit,
aber das war es dann auch. Viele der Lebensmittel, die sie einkauften, mussten sie
wegwerfen. Das Konsumverhalten erforderte eine Veränderung ihres Angebots, so viel
war offensichtlich, und die Freundinnen waren übereingekommen, zum einen das Speisenangebot
zu reduzieren, zum anderen trotz gleichbleibend hoher Qualität die Preise zu senken.
Außerdem wollten sie ab sofort ausschließlich Produkte aus der Region verwenden.
Die anderen Restaurants in Altenahr gaben sich mit der Zubereitung der Gerichte
nicht viel Mühe, so viel hatten sie bereits herausgefunden, und es musste mit dem
Teufel zugehen, wenn sie da nicht eine Marktlücke füllen konnten. Ihr Angebot war
eindeutig besser, und das mussten irgendwann ja nicht nur die Touristen, sondern
auch die Einheimischen merken.
»Hier, schau
mal, ein Spätburgunder vom Weingut Schmitz. Das ist doch das Gut von Christine und
Lars«, sagte Caro überrascht.
»Den probieren
wir mal, und wenn er gut ist, nehmen wir ihn mit auf die Karte«, erwiderte Bea.
Caro legte
die Flasche in einen Korb, den sie überm Arm trug, und griff erneut ins Regal.
Plötzlich
hörten sie Stimmen näherkommen, und eine Frau sagte laut: »Hast du schon gehört?
Caroline Neumann vom ›Ahrstübchen‹ massiert die Fußballjugend. Ben Stur soll völlig
verschossen in sie sein. Ganz zur Freude seiner Mutter, versteht sich.«
Bea und
Caro sahen sich an und blieben wie angewurzelt hinter ihrem Regal stehen. Mit großen
Augen fragte Bea flüsternd: »Stimmt das?«
»Quatsch.
Ein einziges Mal habe ich Ben und seinen Freund behandelt, weil beide sich eine
kleine Sehnenzerrung zugezogen hatten, das war alles«, erwiderte Caro empört.
»Die macht
anscheinend vor nichts halt«, schimpfte eine andere Frauenstimme leise.
»Na ja,
manche Frauen drehen halt durch, wenn sie in die Wechseljahre kommen. Lassen sich
die Haare wachsen, tragen wieder Miniröcke und entwickeln eine Vorliebe für auffälligen
Schmuck. Also, wenn das mein Sohn wäre …«
Es folgte
ein bedeutsames Schweigen.
Caro war
inzwischen vor Wut rot angelaufen, sie sah aus, als würde sie jeden Moment platzen,
doch sie bemühte sich um Zurückhaltung. Sie und Bea lauschten der Stimme, die sie
zuerst vernommen hatten: »Ich hätte nichts dagegen, wenn sie bald wieder weg wären,
das kann ich dir sagen.«
Caro flüsterte
Bea zu: »Ist das nicht Ines Schmitz, die Frau von unserem Verpächter?«
Bea lugte
durch die Regalfächer und sah von hinten auf einen Pagenkopf. »Ich glaube, ja«,
wisperte sie zurück. Ihr Magen fühlte sich flau an, ihre Beine waren weich und sie
hatte das Gefühl, sich anlehnen zu müssen. Sie spürte einen stechenden Kopfschmerz.
»Was glauben
die eigentlich, wer sie sind?«, fragte Ines Schmitz.
»Weiß ich
auch nicht«, erwiderte die andere Stimme.
»Diese Bruni
jedenfalls mischt den Landfrauenverein auf. Redet ständig von okönomischer Unabhängigkeit
und so. Demnächst wird sie auch noch einen Vortrag über die Integration von Fremden
halten. Ich überlege wirklich, ob ich da hingehen soll.«
»Stimmt
es, dass Christine Schäfer dahintersteckt?«
»Ja. Sie
versteht sich wohl blendend mit denen«, kam der Kommentar.
»Hm. Ich
würde eher sagen, sie biedert sich an. Mit den Wangs sind sie ja auch ganz dicke.«
»Na, da
haben sich die Richtigen gefunden.«
Bea und
Caro hörten ein leichtes Lachen, dann sagte Ines Schmitz: »Die Bruni macht jedenfalls
morgens an der Ahr mit einem aus der Familie Tschi Bong. Du schmeißt dich weg, wenn
du das siehst.«
Auf einmal
wurde es laut im Raum. Herein strömten Chinesen, die die Gänge zwischen den Weinregalen
verstopften. Kichernd und lärmend zogen sie Flaschen aus den Regalen und füllten
ihre Körbe damit.
Bea und
Caro beobachteten das Geschehen durch ihr Regal hindurch. Caros Gesichtsfarbe war
inzwischen von rot zu weiß gewechselt.
»Das können
wir uns nicht gefallen lassen«, flüsterte Caro aufgebracht und starrte Bea mit zusammengekniffenen
Augen an. Hektisch strich sie sich durch ihr halblanges, blondes Haar. Ihre blauen
Augen sprühten. Sie war drauf und dran, hinter dem Regal hervorzutreten, um den
beiden Frauen den Marsch zu blasen, aber Bea fasste
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