Mit 50 hat man noch Träume
ich Line Dance mit ihm tanze?«
»Weil du
Line Dance mit ihm tanzt, ohne dass du mir davon etwas gesagt hast. Das ist ein
Unterschied.«
»Muss ich
dich um Erlaubnis bitten?« Caro lachte und sagte: »Siehst du? Ich wusste genau,
dass es dir nicht passen würde.«
»Es wäre
trotzdem besser gewesen, du hättest etwas gesagt. So ist es das Allerletzte!« Bruni
verschluckte sich vor Erregung.
»Wang San
hätte es dir ja auch erzählen können, oder?«
Das war
ein Totschlagargument. Bruni wusste nichts darauf zu erwidern. Je länger sie Caro
in ihrem kurzen Kleid anstarrte, desto mehr spürte sie, wie die Eifersucht in dicken
Wolken ihr Hirn umnebelte. Sie schwieg einen Moment und versuchte, Ruhe in ihre
Gedanken und in ihren Körper zu bringen.
»O.k. Du
hast recht«, lenkte sie schließlich ein und fügte hinzu: »Ich frage mich tatsächlich,
warum er das nicht getan hat.«
»Vielleicht
weil er ahnt, dass du in ihn verliebt bist, aber er nicht in dich?«, wagte Ulrike
leise zu fragen.
Bruni wurde
blass. Das hatte gesessen. »Es ist mir letztendlich auch völlig egal.« Sie sah die
Freundinnen eine nach der anderen an. »Ich habe keine Lust mehr auf dieses hirnrissige
Projekt. Als ob wir das ›Ahrstübchen‹ hier etablieren könnten, und was die Einwohner
von uns halten, spürt man ja.«
»Ich habe
auch bald keine Lust mehr, mich diesem Milieu der Fremdenfeindlichkeit noch länger
auszusetzen«, sagte Caro nachdenklich und nach einer Weile sagte auch Ulrike: »Vielleicht
sollten wir unsere Zelte hier so schnell wie möglich abbrechen.«
»Quatsch«,
widersprach Bea und strich sich über die Stirn, sie hatte den Eindruck, als begänne
der Boden unter ihren Füßen zu wanken. Ihre Kraft zusammennehmend, versetzte sie
mit Nachdruck: »Diejenigen, die für die Graffiti verantwortlich sind, sind Ausnahmen,
und von denen dürfen wir uns doch nicht einschüchtern lassen. Jetzt reißt euch einmal
zusammen!« Auffordernd sah sie in die Runde. Allerdings, dachte sie und spürte,
wie eine leichte Übelkeit sie überkam, wenn wir uns weiter so streiten, und wenn
wir nicht bald mehr Geld einnehmen … Sie sah von den frustrierten Augen der Freundinnen
auf die Buchstaben an der Wand und fühlte sich auf verlorenem Posten. Vielleicht
war jetzt doch der Zeitpunkt gekommen, an dem sie darüber nachdenken sollte, Franks
Angebot anzunehmen, eine Best-Promotion -Zweigstelle in Frankfurt zu eröffnen
und ein Drittel der Anteile zu kaufen. Irgendwann waren ihre finanziellen Reserven
endgültig verpulvert, und dann? Dann wäre sie mit dem ›Ahrstübchen‹ vergeblich einem
Traum hinterhergerannt, und sie hätte sich nicht eingestanden, dass dieses Projekt
chancenlos war. Sie hätte alles aufs Spiel gesetzt und alles verloren.
»Was ist
los mit euch? Habt ihr wirklich keine Lust mehr aufs ›Ahrstübchen‹?«, wandte sie
sich an Bruni, Ulrike und Caro. Die Resignation der Freundinnen tat ihr körperlich
weh, sie fühlte sich von ihnen im Stich gelassen.
»Wir sollten
jedenfalls die Notbremse ziehen, bevor wir pleite sind«, meinte Caro knapp und ergänzte:
»Von den Differenzen, die wir miteinander haben, einmal abgesehen. Nicht,
dass ich sehr am Geld hänge, aber arm wie eine Kirchenmaus möchte ich auch nicht
nach Köln zurückkehren. Außerdem …«
»Ja?«, fragte
Bea und rechnete damit, gleich das alles vernichtende Argument zu hören zu bekommen.
»Außerdem
habe ich ein ernstes Problem damit, wie die Frauen im Ort über mich herziehen. Ich
kann schließlich nichts dafür, dass sich die Teenies in mich vergucken und den verheirateten
Männern schon die Augen aus dem Kopf fallen, wenn ich ihnen nur ein Bier bringe.«
»Aber vielleicht
solltest du lernen, nicht ganz so sorglos mit deinen Reizen und den Gefühlen anderer
Menschen umzugehen«, warf Bruni kalt lächelnd ein.
Caro atmete
tief durch und schluckte. Als sie sich wieder gefasst hatte, sagte sie: »Das mit
Wang San tut mir übrigens wirklich leid. Mit dem Kurs, das hat sich vor zwei Wochen
spontan so ergeben.«
»Das glaubst
du doch selber nicht.« Bruni wandte sich ab.
»Wenn ihr
weiter so streitet, will ich auch nicht mehr bleiben«, meldete sich Ulrike mit erstickter
Stimme zu Wort. Eine tiefe Stille breitete sich aus und alle sahen irgendwohin,
nur nicht in die Gesichter der anderen. Irgendwann fragte Ulrike leise: »Was machen
wir jetzt mit dem Graffiti?«
»Wir lassen
es, wo es ist«, erwiderte Bea kurz angebunden und fügte hinzu:
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