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Mit 50 hat man noch Träume

Mit 50 hat man noch Träume

Titel: Mit 50 hat man noch Träume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bärbel Böcker
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auch nur der Spiegel manipuliert. Sie hatte davon
gelesen, dass Boutiquen in die Trickkiste griffen und Schlankmacherspiegel aufhängten,
damit die Kundinnen sich gefielen. Außerdem wurden die Kleidergrößen von manchen
Herstellern extra eine Nummer niedriger angegeben, damit vor allem den älteren Damen
beim Shoppen nicht die gute Laune und die Lust am Kaufen verging.
    »Ja, steht
mir ganz gut«, murmelte sie wie unbeteiligt und dachte überrascht: Steht mir richtig gut. Aber konnte sie sich in diesem Aufzug jemals wohlfühlen? Seit Ewigkeiten schon
hatte sie keinen Rock und keine Bluse mit Ausschnitt mehr getragen. Auf jeden Fall
war die Kleidung ungewohnt. Irritiert griff sie sich an den Hals, der vertraute
Schutz des Rollkragens fehlte.
    »Und wann
soll ich so etwas tragen?«, fragte sie.
    »Jeden Tag«,
erwiderte die Verkäuferin, die inzwischen zurückgekommen war und ihr und Caro ein
Glas Wasser in die Hand drückte, leichthin. »Absolut alltagstauglich. Dazu pflegeleicht.
Waschbar in der Maschine.«
    »Abends
an der Theke«, fügte Caro lachend hinzu. »Die Männer werden dich nicht wiedererkennen.«
    Bruni schwieg. Die Männer werden dich nicht wiedererkennen. Was sollte das jetzt. Als ob
es das Einzige wäre, was im Leben einer Frau Geltung besaß. Für sie bestimmt nicht.
Und die Männer aus Altenahr interessierten sie schon mal gar nicht. Bis auf … auf
einmal hatte sie Wang Sans Gesicht vor Augen, doch sie wischte den Gedanken an ihn
schnell beiseite. Er stand auf blond, das war Fakt, und daran, dass sie sich in
ihn verguckt hatte, waren einzig und allein die Hormone schuld. Außerdem hatte sie
ihn gestern erst abgeschossen.
    Sie leerte
das Glas bis auf den letzten Tropfen und reichte es der Verkäuferin zurück.
    »Was kostet
der Spaß?«, fragte sie.
    »650 Euro.«
    Bruni schluckte.
»Gekauft«, beschied sie knapp, dachte mit einem schmerzlichen Gefühl an ihren Kontoauszug,
und fragte: »Gibt es hier auch eine Apotheke?«
    »Warum?
Ist dir nicht gut?« Caro sah sie erschrocken an.
    »Doch, aber
ich glaube, jetzt werde ich völlig verrückt. Ich muss mir unbedingt ein Mittel mit
Silberkerze besorgen.«
    »Das ist
gut, das hilft. Meine Mutter nimmt das auch«, sagte die Verkäuferin erfreut. »Und
eines kann ich Ihnen garantieren«, fügte sie lächelnd hinzu: »In dem Outfit
kommt kein Mensch auf die Idee, dass Sie schon in den Wechseljahren sind!«

42
     
    Die Flammen loderten hell vor dem
dunklen Nachthimmel, und das grelle Licht ihres Scheins blendete die Augen. Eine
Breitseite des Tempels sank ächzend unter der Wucht der Hitze zusammen und riss
das halbe Dach mit sich. Die Töne, die das brennende Holz von sich gab, erinnerten
Bea an das Wimmern eines Babys.
    Lao Wang
und seine Familie standen unter Schock.
    Mit Wassereimern,
Decken und Gartenschlauch hatten sie versucht, die Flammen zu ersticken, aber erfolglos,
sie griffen zu schnell um sich, und auch die Hilfe der Freundinnen, die durch den
Lärm und die Schreie aufmerksam geworden waren, war vergeblich gewesen. Schließlich
hatte Wang San die Feuerwehr gerufen, inzwischen war sie vor Ort und versuchte,
der Flammen Herr zu werden. Aus den riesigen Gummiröhren des Löschzugs spritzten
die Feuerwehrmänner harte Wasserstrahlen direkt in sie hinein. Mit Erfolg, denn
die unmittelbare Gefahr, dass noch andere Gebäude in Brand gerieten, konnte schon
nach wenigen Minuten gebannt werden. Stumm sahen die Wangs dem Einsatz zu.
    Als der
letzte Funken erloschen war und nur noch schwarze Rauchschwaden über ihren Köpfen
hingen, atmete Wang San auf. Er stand mit seiner Familie gegenüber dem Tempel an
der Hauswand des Restaurants. Seine Knie waren weich, doch er war froh, dass nichts
Schlimmeres passiert war. Ihr eigenes Haus war unversehrt geblieben. Auch war keines
der Nachbarhäuser zu Schaden gekommen. Er begann zu husten. Der Rauch füllte seine
Lungen, die zu bersten schienen, und einen Moment ahnte er, wie es sich anfühlen
musste, wenn man erstickte. Schnell presste er eine Hand vor den Mund.
    In diesem
Moment traf sein Blick auf fremde Augen, die ihn mit ihrem starren Blick an Adleraugen
erinnerten. Aus den Fenstern der umliegenden Häuser beobachteten sie ihn und seine
Familie. Die Leute hatten sich hinausgelehnt und reckten die Köpfe, und in manch
einem Gesichtsausdruck erkannte er unverhohlene Freude.
    Wang San
spürte Wut in sich hochschäumen wie eine Fontäne orangeroter Lava. Sie umnebelte
sein Hirn und blockierte seine Gedanken. Er

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