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Mit 50 hat man noch Träume

Mit 50 hat man noch Träume

Titel: Mit 50 hat man noch Träume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bärbel Böcker
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sich trug, aber im Vergleich zu seinem Vater hatte er sich bislang
immer noch beherrschen können.
    Vor seinem
inneren Auge tauchte seine Mutter auf, eine grazile, ruhige Frau, die oft genug
von ihrem Mann eingeschüchtert worden war.
    Sie stand
zwischen ihnen. Ben sah aus dem Fenster hinaus in den Garten, wo sie Unkraut jätete,
und er wusste nicht warum, aber ihr gebeugter Rücken und die schwerfälligen Bewegungen,
mit denen sie das Unkraut auszupfte, trieben ihm die Tränen in die Augen. Lange
Jahre hatte sie versucht, auszugleichen, wo es nur ging, aber in letzter Zeit hatte
sie oft genug die Vergeblichkeit dieser Mühe erfahren müssen. Wenn er und sein Vater
sich anbrüllten, waren ihre vorsichtigen Schlichtungsversuche untergegangen im Lärm
und im Handgemenge, und irgendwann hatte sie nur noch mit den Schultern gezuckt
und war einfach in ein anderes Zimmer gegangen. Ben seufzte. Eine Sprachlosigkeit
hatte sich zwischen ihm und seiner Mutter eingeschlichen, die sie sich beide nicht
eingestehen wollten, von der sie aber wussten, dass sie existierte, und die sie
täglich ein Stückchen weiter voneinander entfremdete. Wie bei zwei rohen Eiern,
die man davor bewahrte, dass sie einander zu nahe kamen, gab ihnen der sichere Abstand
Schutz.
    Ben holte
tief Luft. Er vermisste ihre frühere Vertrautheit, aber ihm war klar, dass die distanzierte
Haltung seiner Mutter auch mit Caroline Neumann zusammenhing. Erst hatte sie ihm
Vorwürfe gemacht, als sie erfuhr, dass er gerne mit Caro im Garten des ›Ahrstübchens‹
plauderte. Dann war sie missbilligend still geworden, als sie erfuhr, dass Caro
ihm die Wade massiert hatte. Und jetzt strafte sie ihn mit Schweigen und hielt sich
von ihm fern. Ben seufzte. Seine Mutter war eifersüchtig, das war’s.
    Trotzig
strich er sich die Locken aus dem Gesicht. Es passte ihr nicht, dass er sich für
eine ältere Frau interessierte, aber er tat, was er wollte. Sollte seine Mutter
ihre Machtlosigkeit ruhig spüren, dachte er. Ben schloss die Augen. Ines Schmitz
goss mit ihrem Gerede natürlich Öl ins Feuer. Sie verbreitete hartnäckig das Gerücht,
Caro mache sich an ihn heran. Es war so albern, so unsagbar albern. Mit einem lauten
Türknallen verließ er sein Zimmer.

40
     
    Mehrere Tage waren vergangen, bevor
sie wieder hinunter zum Ahrufer ging. Selbstbewusst warf sie den Kopf in den Nacken,
als sie vor ihm stand, und lächelte ihn an. Er nickte ihr jedoch nur kurz zu, versunken
in seine Übung, und sie fühlte einen leichten Stich.
    Mit einem
knappen Handzeichen forderte er sie auf, ihre Ausgangsposition einzunehmen und seinen
Bewegungen zu folgen.
    »Den Bogen
spannen und auf den Adler schießen«, erklärte er kurz und machte ihr
vor, wie diese Brokatübung aus dem Qi Gong funktionierte.
    Wie du willst,
dachte sie.
    Mit einer
langsamen, nach rechts ausgerichteten Drehung spannte sie einen imaginären Bogen
und zielte. Wieder und wieder, und Bruni war klar, dass der Adler, den sie langsam
aber sicher im Geiste erlegte, niemand anders war als Wang San. Die Übung tat gut.
Sie verhalf ihr zu dem nötigen Abstand und ermöglichte es, ihre Gefühle für ihn
auseinanderzudividieren. Den potenziellen Liebhaber hatte sie soeben erschossen,
den Freund ließ sie am Leben.
    Dieser Übung
folgten weitere, und nach einer halben Stunde etwa griff sie, erfüllt von einem
tiefen Gefühl innerer Zufriedenheit, zu ihren Schuhen und zog sie an. Wang San beschäftigte
sich ebenfalls mit seinen Schuhen. Mit keinem Wort fragte er nach, warum sie in
den letzten Tagen nicht erschienen war, und mit keinem Wort erwähnte er den Abend
im Western Saloon .
    Während
sie sich gemeinsam auf den Weg zurück zu ihren Restaurants machten, sagte er: »Wang
Ai hat hin und her überlegt, aber inzwischen ist sie von der Idee, gleich hier zu
bleiben, zu studieren und für die ›Eintracht Neuenahr‹ zu spielen, ganz angetan.«
    »Das freut
mich«, sagte Bruni. Ihre Stimme klang etwas reserviert.
    »Ihr Verein
in China und der chinesische Fußballverband müssen sie freigeben, aber vor allem
muss erstmal der Verein aus Neuenahr sie wirklich haben wollen. Dann sehen wir weiter.
Sie hat sich übrigens schon vorgestellt und probehalber beim Training mitgemacht.«
    Brunis Blick
glitt über das Wasser der Ahr, das heute besonders schnell floss und dabei ein rauschendes,
gurgelndes Geräusch von sich gab. »Wie schätzt du die Chance, dass man sie gehen
lässt, ein?«
     »Fifty,
fifty. Einerseits wird sie in ihrer

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