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Mit 50 hat man noch Träume

Mit 50 hat man noch Träume

Titel: Mit 50 hat man noch Träume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bärbel Böcker
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relativierte. Ihre Wut war nichts
anderes als der Ausdruck ihrer eigenen, kreatürlichen Angst. Der Angst davor, dass
es ein nächstes Mal geben könnte. Dass der nächste Cocktail das Haus treffen könnte,
in dem sie wohnten , und dass sie vielleicht sogar alle sterben könnten.
Wang Ai schloss die Augen. Im Grunde ihres Herzens wusste sie, dass sie selbst ebenso
wie ihre Familie nach Wegen gesucht hätte, etwas gegen die vorangegangenen Schikanen
zu unternehmen. Sie schluckte, und äußerte leise: »Tut mir leid, ich habe es nicht
so gemeint.«
    Mei Ling
sah auf.
    »Ich kann
verstehen, dass ihr den Tempel gebaut habt«, vesicherte Wang Ai.
    Ein Lächeln
glitt über Mei Lings Gesicht. »Weißt du, es gibt viele hier, die uns zur Seite stehen.
Denke nur daran, was Johannes Frier und die Kölnerinnen für uns tun. Ich empfinde
das als großen Trost. Inzwischen haben sie schon einige 100 Unterschriften zusammen,
und die Presse berichtet beinahe täglich über uns.«
    »Na, jetzt
erst recht«, Wang Ais Stimme klang bitter.
    Mei Ling
hatte Kopfschmerzen. Sie saßen über dem rechten Auge und pochten. Sie wusste nicht,
wie sie sich ausdrücken sollte. »Ich hatte mich so darauf gefreut, dass du hier
bleibst. Im Geiste habe ich schon unsere Wohnung in Köln eingerichtet.«
    »Ja, wirklich?«
Gerührt setzte sich Wang Ai neben sie auf den Rand des kleinen Fischteichs und pflügte
mit einer Hand das Wasser, die Augen auf den Boden gerichtet, der noch schwarz war
vom Feuer.
    »Ich auch«,
flüsterte sie nach einer Weile kaum wahrnehmbar.
    »Geh nicht,
besorg dir kein Flugticket zurück. Bitte«, sagte Mei Ling und fügte leise hinzu:
»Du kannst doch jetzt nicht alles hinschmeißen.«

44
     
    Bea ließ die Zeitung sinken. Das
Foto vom brennenden Tempel war farbig gedruckt und wirkte auf sie genauso verzerrt
und unscharf wie die Erinnerung an die Nacht, die alles verändert hatte. Nichts
wünschte sie sich in diesem Augenblick sehnlicher, als dass die Ereignisse vor 30
Stunden nur ein böser Traum gewesen wären. Die Küchentür ging auf, herein taumelte
Bruni. Vom Schlaf sah sie noch ganz verquollen aus.
    »Morgen«,
murmelte sie in die Runde und fragte: »Ist noch Kaffee da?« Dann setzte sie sich
zu den Freundinnen, die alle schon wach waren, obwohl es erst 6 Uhr war, an den
Tisch. Caro schob ihr die Kaffeekanne hin, und Bruni schenkte sich ein. Sie drehte
den Becher mit dem warmen Getränk zwischen beiden Händen hin und her, als wisse
sie nicht, was sie tun oder sagen sollte, und irgendwie wirkte sie, als habe man
ihr die Flügel gestutzt. Schließlich fragte sie mit gedrückter Stimme: »Habt ihr
auch so schlecht geschlafen wie ich? Eigentlich hätten wir doch wenigstens letzte
Nacht durchschlafen müssen.«
    Bea nickte.
Sie stellte fest, dass auch die anderen dunkle Ränder unter den Augen hatten.
    »Drei Stunden
vielleicht«, sagte Ulrike und knabberte unlustig an einem Stück Brot.
    »Ich vielleicht
vier«, schätzte Caro.
    »Am liebsten
würde ich mich in meinem Bett verkriechen und nie wieder aufstehen«, seufzte Bruni,
saugte einen Orangenschnitz aus und knabberte am weißen Fruchtfleisch. Sie hielt
einen Moment inne, bevor sie weitersprach. »Vielleicht war ja an allem nur eine
brennende Kerze schuld.«
    »Nein, leider
nicht«, betonte Bea. Mit einer müden Geste wies sie auf die Zeitung, die neben ihrem
Teller lag. »Es heißt, dass die Polizei gestern Vormittag Reste eines Molotow-Cocktails
vor dem Tempel gefunden hat. Die Wangs haben den sicher nicht gebastelt.«
    Bruni starrte
sie an. »Dann ist es also wahr. Ein Anschlag. Wie sie sich jetzt wohl fühlen?«
    »Ich möchte
nicht in ihrer Haut stecken«, sagte Ulrike. »Es muss schrecklich sein zu wissen,
dass es Leute gibt, die dir schaden, dich vielleicht sogar töten wollen.« Sie schüttelte
sich.
    Caro nickte.
»Unfassbar ist das. Sich gegen den Tempel zur Wehr zu setzen, ist ja völlig legitim,
aber nicht auf diese Weise.« Sie stand auf und ließ Wasser in den Wasserkocher laufen.
Dann setzte sie das Gerät in den Kontakter, drückte auf ON, stellte sich mit verschränkten
Armen daneben und wartete darauf, dass das Wasser zu kochen begann.
    »Ich versuche
gerade mir vorzustellen, wer das gewesen sein könnte«, sagte Bruni und zog den Reißverschluss
ihrer Joggingjacke hoch bis unter das Kinn.
    Caro dachte
an Bens Vater und fragte vorsichtig: »Vielleicht Volker Stur?« Ben hatte ihr ja
kürzlich davon erzählt, dass sein Vater politisch rechts stand,

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