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Mit 80 000 Fragen um die Welt

Mit 80 000 Fragen um die Welt

Titel: Mit 80 000 Fragen um die Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dennis Gastmann
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Alamo-Mitarbeiterin zu, eine zwei Meter große Texanerin, die ihre Idee von Service offenbar bei der Deutschen Bahn verfeinert hat. Sie schnauzt alles an, was sich bewegt: «Ich hab keine Autos, geht das in eure Schädel rein?»
    Ich pflege solche Konflikte einfach auszusitzen. Schließe die Augen, mein Gehirn schlägt ein Zelt auf, zieht die Wohlfühlsocken an und brät Marshmallows über dem knisternden Lagerfeuer. Doch offenbar ist mein schwäbischer Kamerakollege da anders. Meine Augen öffnen sich und sehen, wie sich Thomas vor der Alamo-Bestie aufbaut. Mein Gott, er spielt mit seinem Leben.
    «Was willst du?», raunt das Alamonster, und ich gehe in Deckung. Schließlich war meine neue Jacke teuer, und ich fürchte, dass ich die Blutflecken nie wieder rauskriege.
    «Ich will mit Ihnen reden!»
    «Ich habe aber keine Zeit zu reden, Junge.»
    «Nein, verdammt nochmal. Sie hören mir jetzt zu!»
    «Was?»
    «Ich will Ihnen was sagen!», brüllt Thomas, und ich plane schon mal alles durch: Gerichtsmedizin, Totenschein, Rücktransport.
    «Wir haben bei Ihnen ein Auto gemietet! Hier ist der Beleg: Kleinwagen, Navigationssystem, drei Tage. Und hier ganz unten ist der Scheißstempel Ihrer Scheißfirma drauf, Sie werden uns also sofort eines Ihrer Scheißautos geben!»
    Das war’s dann, tschüs, Welt. Die Alamo-Supermacht zögert noch eine Weile, vermutlich überlegt sie gerade, in wie viele Teile sie uns zersägen will. Dann greift sich die riesige Frau an den Gürtel und holt etwas Schwarzes aus ihrem Halfter – ein Handy. Und plötzlich rollt etwas Weißes auf uns zu, es ist sehr, sehr groß.
    «Was haltet ihr von einem Van?»
    Ein Wunder! Das Alamonster überlässt uns das wohl größte Auto auf diesem Planeten und will nicht mal eine Unterschrift. Wir sind Gewinner. Und weil wir hungrige Gewinner sind, schaukeln wir in unserer großen weißen Badewanne nach Downtown Detroit. Wir finden eine Pizzeria und sind froh, dass wir vorher im Auto noch Extra-Pullis angezogen haben, denn drinnen sorgen Klimaanlage und Ventilatoren für gefühlte minus vier Grad bei heftigen Böen. Ich habe es aufgegeben, in amerikanischen Restaurants nach Mineralwasser zu fragen, und bestelle gleich das Nationalgetränk   – Coca-Cola.
    «Dazu hätte ich gerne eine kleine Pizza Salami.»
    «Ist das schon alles?»
    «Ja, das reicht mir.»
    Fünfzehn Minuten später bekomme ich meine Pizza. Sie ist so groß wie ein mittelalterliches Wagenrad.
    «Ich hatte eine kleine Pizza Salami bestellt.»
    «Das ist die kleine Pizza Salami. Kommen Sie aus Europa?»
    «Sagen Sie, warum ist in diesem Land eigentlich alles so groß?»
    «Das ist Amerika. Wir lieben große Sachen.»
    Think big. Genau das ist Detroit zum Verhängnis geworden. Größer, immer größer. Am nächsten Morgen treffen wir einen kauzigen Schotten mit Brille und Vollbart. Robin Boyle ist Professor für Stadtentwicklung, und ihm fällt sofort unser riesiger Van auf. «Ich fahre», ruft er und gibt ordentlich Gas. Es folgt die trostloseste Stadtrundfahrt meines Lebens. Und das will was heißen: Ich habe Salzgitter, Kassel und Schrecklinghausen gesehen. «Look at that», sagt der Professor, während wir links und rechts eine Ruine nach der anderen passieren: «Oh boy, what a mess!»
    Verlassene Häuser, wohin du auch siehst. Die Türen sind vernagelt, die Fenster zerschlagen. Aus den Dächern wachsen Bäume, wenn es überhaupt noch Dächer gibt. Ganze Stadtteile sind verwaist: Schulen, Kindergärten, Wäschereien, Supermärkte, Pubs, Motels, Tankstellen, Kirchen. Vierzig Prozent der Gebäude in Detroit stehen leer und verfallen.
    «Wo sind denn die Leute alle hin?»
    «Weg! Diese Stadt hatte zwei Millionen Einwohner. Jetzt sind es nicht mal mehr die Hälfte.»
    Der Professor fährt mit uns zur ehemaligen Packard-Fabrik, ein sterbender Koloss aus verfallenen Fertigungshallen und Verwaltungsgebäuden. Manche stehen kurz vor dem Einsturz. Die Dächer hängen in der Mitte durch, dieMauern biegen sich nach innen, es genügt nur ein kleiner Stoß. Alles ist voller Sperrmüll, Rost, Pappkartons, Plastikflaschen, Autoreifen, Spritzen, Kondome, Graffiti und böser Energie. Ein verseuchter und gefährlicher Ort, um den sich niemand mehr kümmert.
    «Was ist das hier?»
    «Es ist kaum zu glauben, aber dieser Haufen Schrott war mal eine der größten Autofabriken der Welt», erklärt Boyle, und über uns fliegen ein paar Gänse hinweg. «Detroit war das Epizentrum der Autoindustrie. Der Legende nach

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