Mit 80 000 Fragen um die Welt
abgehalfterte Countrysänger hier eröffnet haben. Das scheint ein lukratives Geschäft zu sein. Amerika ist nun mal ein unvorstellbar großer Markt, und selbst wenn du überhaupt keine Platten mehr verkaufst, lockst du am Wochenende immer noch fünfhundert Leute in deine Countrybude am Ende der Welt. Branson hat 6000 Einwohner, zählt jedes Jahr aber fast acht Millionen Touristen.
Natürlich haben wir keine Mühe, hier ein Hotel zu finden. Es ist sogar überraschend günstig. Countrymusic ist der Sound der einfachen weißen Leute.
Wir sind hungrig und haben die Wahl zwischen Schlotzky’s (Sandwiches), Domino’s (Pizza) und Denny’s (Burger). Letzteres ist mir auf Anhieb sympathisch. Ich hatte tagelang versucht, mich von Salat und Mineralwasser zu ernähren, bin dabei aber immer wieder auf Unverständnis gestoßen. Jetzt möchte ich mich der lokalen Küche nicht mehr verschließen und bestelle ein Menü aus drei «Mini- Burgern ». Drei stattliche Brötchen, in denen ein Berg aus Käse, ein See aus Tomatenketchup und mindestens zwei Rinder verarbeitet sind. Ich sehe mich um und stelle fest, dass in diesem Laden jeder Mann, jede Frau und jedes Kind schwer übergewichtig ist. Auch die Bedienung. Einfach alle. Und alle sind weiß. «White Trash» – weißen Müll schimpfen die Landsleute dieses Volk.
Der nächste Morgen, der nächste Highway. Unser Tag beginnt mit einer handgezeichneten Karte, die ich in meinem E-Mail -Postfach entdeckt habe. Ich hatte das alles für einen Scherz gehalten: die Internetseite des Ku-Klux-Klans, die Kontaktperson, die Einladung zum Interview. Aberoffensichtlich existiert dieser Verein, sozusagen die Mutter aller Angst-vorm-schwarzen-Mann-Besessenen, tatsächlich immer noch. Wir haben einen Termin. Auf der Anfahrtsskizze des Klans ist eine grobe Wegbeschreibung. Falls Sie den Kuttenklub selbst einmal besuchen wollen, hier finden Sie ihn: Von der Stadt Harrison/Arkansas aus fahren Sie etwa sieben Meilen auf dem Highway Nummer sieben nach Norden. An der Conoco-Tankstelle rechts, dann noch einmal sieben Meilen die Straße entlang. Es geht einen Hügel hinab, über Gleise und eine kleine Brücke. Dann kommt ein dichter Wald. Die Straße macht erst einen Bogen nach rechts, dann nach links, und plötzlich bremst Thomas hart ab.
«Ganz kurz: Ist das richtig, was wir hier machen?»
«Ich weiß es auch nicht», antworte ich, und zum ersten Mal überkommt mich auf meiner Weltreise echte Angst. Kindliche, naive Angst. Wir passieren einen verfallenen Bauernhof, auf dem zwei Gestalten ihre Schweine mit verschimmeltem Fleisch füttern. Sind dies die Überreste der letzten Reporter, die sich hierhin getraut haben?
Ich studiere die Klan-Karte. Nach anderthalb Meilen führt der Weg über zwei kleine Brücken, dann taucht rechts die Morgan Cave Road auf. Nicht in die Morgan Cave Road einbiegen, sondern nach weiteren hundert Fuß rechts in die erste Einfahrt. Dort begrüßt uns ein neongelbes Schild mit einer Überwachungskamera: «Warning! 24 Hour Video Surveillance in Operation!»
Wir passieren einen verwaisten Wachtposten und fahren durch ein Spalier aus Amerikaflaggen auf einen breiten Hof. Ich zähle drei Holzhäuser, aber keine Menschen. Plötzlich taucht hinter einer Gardine der Kopf einer Frau auf – weg ist er wieder.
«Sollen wir da wirklich rein?», fragt Thomas, und ich frage mich, ob wir hier zu weit gehen. Wir sind viele Meilen tief in den Wald gefahren, und wenn etwas passiert, dann wird uns hier keine Menschenseele finden. Unsere Handys haben keinen Empfang, und niemand weiß, dass wir hier sind, nur der Ku-Klux-Klan. Bin ich fahrlässig? Riskiere ich unser Leben für eine Story? Nur für eine einzige Frage von 80 000?
Wir fassen uns ein Herz und klopfen an die Tür der Hütte, in der sich gerade noch etwas geregt hatte. Nichts. Dasselbe am zweiten Haus: keine Reaktion. Erst am dritten tut sich was. Es ist ein scheunenartiges Holzhaus mit Veranda und Doppeltür. Die Pforte öffnet sich, und darin stehen ein Mann und eine Frau, die weder Kutten noch Kappen tragen.
«Sind Sie der Ku-Klux-Klan?»
«Ja», sagt der Mann, «aber wir haben nicht viel Zeit. Lasst uns loslegen, wir müssen gleich zu einer Hochzeit.»
Thomas Robb, der sich Pastor Thomas Robb nennt, trägt ein beigefarbenes Sakko, dazu ein weißes Hemd und eine karierte Krawatte. Er könnte Mathelehrer sein: kurze graue Haare, Brille und ein etwa sechzig Jahre altes Faltengesicht.
Sie ist deutlich jünger,
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