Mit 80 000 Fragen um die Welt
dann hat jemand ein paar Häuser darauf gebaut, jetzt ist es wieder eine Wiese.»
«Aber ist der Boden nicht …?»
«Nein, das ist kein verseuchter Boden. Und schau dich doch mal um: In welcher Stadt der Welt liegen hektargroße Grünflächen einfach so brach? Es ist ein toller Ort für Fasane, aber das war’s auch schon.»
John ist kein Biologe. Auch kein Bauer. Er ist Unternehmer, und er hat eine Vision: Hantz Farms. Seit Jahren sammelt er Genehmigungen, bald will er den Boden von Motor City im großen Maßstab umpflügen und einsäen. Seine Internetseite ist voll mit Fotos von knackigen roten Äpfeln und taufrischem Salat. Ein lächelndes Mädchen steht vor einem Maisfeld und hält eine Handvoll fruchtbaren Mutterboden, in dem eine Pflanze keimt. Auf einem anderen Bild wuchten Vater und Sohn einen überdimensionalen Kürbis. John träumt vom größten urbanen Bauernhof der Welt. DasMotto seiner Firma: «A journey of a thousand miles begins with a single step.»
«Wir müssen uns einfach von der Hoffnung verabschieden, dass die Stadt eines Tages wieder ihre alte Größe erlangen könnte.»
«Sie meinen, Detroit kehrt zu seinen Wurzeln zurück?»
«Da liegst du zu hundert Prozent richtig. Also lasst uns die Traktoren holen!»
Eigentlich möchte ich John hassen. Für seine gegelten Haare, sein perfekt rasiertes Gesicht und seine selbstbewusste, dynamische Art. Aber ich kann mir nicht helfen: Mögen seine Ideen auch sonderbar sein (ich weiß nicht, ob ich Salat essen möchte, der unter der Dunstglocke Detroits groß geworden ist), aber John imponiert mir.
«Zeichnet das eine Supermacht aus: Visionen?»
«Das ist Amerika! Spirit of Change: Wenn etwas schiefläuft, dann jammern wir nicht. Wir starten etwas Neues. Und im Grunde ist deine Weltreise auch typisch amerikanisch, ob du nun willst oder nicht. Niemand traut dir zu, alle Fragen dieser Erde zu beantworten. Aber du machst es einfach. Das ist deine Vision.»
Und so endet meine Reise durch das Land der unbegrenzten Möglichkeiten mit etwas Versöhnlichem. Natürlich ist Amerika noch eine Supermacht. Und das wird es auch bleiben, wenn es wirklich in der Lage ist, sich zu verändern. Ich hoffe nur, dass sich Amerika bis zu meinem nächsten Besuch sehr verändert.
Zurück am internationalen Flughafen von Motor City, umarme ich die Dame am Air-France-Schalter.
«Bringen Sie mich zurück nach Europa?»
«Naturellement!», sagt sie, und ich glaube, ich möchte sie heiraten.
KAPITEL 10
«WO LIEGT EIGENTLICH ABSURDISTAN?»
TEKNIKAL SWORUM
«Das ist er!», sagt der Produzent.
«Das gibt’s doch nicht.»
«Doch, das ist er!»
«Nicht zu fassen», rufe ich und gehe zu ihm. Wochenlang hatte ich ihm hinterhertelefoniert – ohne Erfolg. Und jetzt sitzt er einfach so ein paar Meter von uns entfernt im Terminal am Frankfurter Flughafen, wartet auf denselben Flug und versteckt sich hinter dem Sportteil der «Bild am Sonntag». «Hallo, Herr Vogts», sage ich und strecke ihm meine rechte Hand entgegen, «ich bin Dennis.»
Doch Berti Vogts weigert sich, mir seine Hand zu geben. Stattdessen schielt er pikiert über seine Halbrandbrille.
«Ich, ähm, hatte versucht, Sie zu erreichen. Darf ich mich kurz setzen?» Wieder keine Reaktion.
Ich setze mich trotzdem und erkläre Herrn Vogts, dass ich Weltreporter sei. Ein Weltreporter auf dem Weg nach Absurdistan. Und dass ich Absurdistan in Aserbaidschan suchen wolle, weil das ja so ähnlich klinge. Und da er schließlich Nationaltrainer dieses Landes sei, könne er mir doch sicher helfen. Vielleicht mit einem Interview?
«Da sollten Sie mit dem Verband sprechen», sagt Berti Vogts genervt. Aber das habe ich schon. Sogar mehrfach. Ich bleibe hartnäckig, und der Terrier legt für einen Moment seine Zeitung beiseite. Er nimmt sogar die Brille ab und beginnt zu reden, als sei ich irgendein Sportreporter. Man müsse «abwarten», wie sich «die Dinge» entwickeln.Er müsse erst mal das «ein oder andere» Gespräch führen. Und überhaupt: Einige «Dinge» in der Nationalmannschaft seien zuletzt «suboptimal» gelaufen.
Ich gebe auf. Nach dem Interview ist schließlich vor dem Interview, die Erde ist rund, und ein Flug dauert viereinhalb Stunden. Dann landen wir gemeinsam mit Berti Vogts in einem Ozean aus Millionen orangefarbener Lichter am Kaspischen Meer. Fördertürme, Häuserblocks, Landebahn. Touchdown in Baku. Willkommen in der Hauptstadt von Aserbaidschan.
Was weiß die Menschheit eigentlich über dieses
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