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Mit 80 000 Fragen um die Welt

Mit 80 000 Fragen um die Welt

Titel: Mit 80 000 Fragen um die Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dennis Gastmann
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auf den schwarzen Mann im weißen Haus zu sprechen kommen. Der Präsident will illegale Einwanderer integrieren.
    «Haben Sie Angst vor Obama?»
    «Dennis, ich denke, Obama ist ein Faschist.»
    «Ähm, Frau Burlesworth, in Deutschland ist Faschist ein hartes Wort   …»
    «Gut, sehr gut! Vielleicht wacht Deutschland dann endlich mal auf!»
    Das Interview ist beendet, und Frau Burlesworth möchte mit Thomas und mir essen gehen. Auch ihre beiden Begleiterinnen Betty und Shirley sind ganz angetan von den «nice German guys». Sie bedanken sich für das «very interesting» Interview und tätscheln unsere Hände. Plötzlich bekomme ich Angst vor der Weißen Frau. Wir flüchten die Treppen des Kapitols hinab auf den Parkplatz, werfen unsere Ausrüstung in den Kofferraum und setzen uns in den Wagen. Da sind die drei schon wieder. Thomas wirft den Motor an, setzt zurück und braust davon. Raus aus Little Rock.
    Wir schießen über den Highway Richtung Norden, und bald taucht hinter uns ein festlich geschmückter Tannenbaum auf: ein blinkender Polizeiwagen mit hundert roten und blauen Lichtern auf dem Dach. Was jetzt passiert, kennen wir aus Filmen: Rechts ranfahren, das Fenster öffnen und beide Hände auf das Lenkrad legen. Der Tannenbaum hält direkt hinter uns, und es dauert eine Weile, bis der Cop aussteigt. Endlich öffnet sich die Tür, und ein großer schwarzer Mann bewegt sich auf uns zu.
    «Sir, Ihren Führerschein und die Wagenpapiere.»
    Auch dieser Satz erinnert uns an die Straßen von San Francisco. Vorsichtig gibt ihm Thomas die Dokumente, jetzt bloß keine hektischen Bewegungen.
    «Sir, Sie sind zu schnell gefahren», sagt der Cop, und wir fragen uns, welche Filmszene als Nächstes folgt. Vielleicht raus aus dem Wagen und die Hände aufs Dach? Oder zieht der Officer lieber gleich seine Knarre und legt uns beide um – im Kampf gegen den internationalen Terrorismus? Der Mann sieht uns mit ernster Miene an:
    «Sir, ich schreibe Ihnen eine Verwarnung.»
    Eine Verwarnung? Tatsächlich: Er kritzelt einen kleinen, völlig unbedeutenden Zettel und lässt uns ziehen. Das ist wirklich nett. Er wünscht uns sogar eine gute Weiterreise. Wieso können nicht alle so nett sein? Und warum dürfen manche so böse sein wie Frau Burlesworth?
    «We’ve got freedom of speech. Der Grund ist Redefreiheit», sagt Bishop Anthony Taylor. «Das bedeutet, du darfst in diesem Land die idiotischsten und hasserfülltesten Sachen sagen, die du dir vorstellen kannst. Einfach so.»
    Taylor leitet eine kleine Gemeinde in Rogers, einem überschaubaren Ort, in dem viele illegale Einwanderer aus Mexiko leben. Der Geistliche ist ein unscheinbarer Mannmit grauen Haaren, grauer Brille und grauem Schnurrbart. Aber er hat ein großes Herz, und genau das brauche ich jetzt.
    «Weißt du, es ist vieles besser geworden in diesem Land. Ich erinnere mich noch, wie ich als Kind meinen Großvater in Fort Worth/​Texas auf der Arbeit besucht habe. Alles war nach Schwarz und Weiß getrennt: die Toiletten, die Kantine, die Sitzplätze im Bus.»
    «Und gibt es immer noch Menschen, die ernsthaft Angst vorm schwarzen Mann haben?»
    «Klar. Das sind Leute, bei denen irgendwas schiefgelaufen ist. Wütende Menschen, die ihren Hass an anderen auslassen. Loser.»
    «Sie meinen, ich muss nach den Idioten suchen?»
    «Richtig, und es werden Vollidioten sein.»
    Das klingt nach einem Plan. Wir starten den Wagen und fahnden im Licht der untergehenden Südstaaten-Sonne nach Idioten. Es dauert nicht lange, bis wir zwei Exemplare finden: uns selbst. Weil wir Idioten uns auf der Suche nach einem Schlafplatz nicht entscheiden können – auf Motels haben wir keine Lust, das nächste Hotel ist zu teuer und das übernächste ausgebucht   –, landen wir in Branson/​Mis souri . Es ist kurz vor Mitternacht, aber wir können das Örtchen bereits aus fünfzehn Kilometern Entfernung deutlich erkennen. Es strahlt so hell wie die Sonne, aber in allen Farben dieser Welt: Blau, Rot, Grün, Pink, Violett. Wir kommen näher und trauen unseren Augen nicht, als wir in das Meer aus Leuchtreklamen und Scheinwerfern eintauchen. Auf der Straße ist Stau, und links und rechts erheben sich riesige Hotelanlagen, Casinos und Musical-Theater. Sind wir in Las Vegas? Branson nennt sich die «Live Entertainment Capital of the World» – die internationale Hauptstadtder Live-Countrymusic. Ich hasse Countrymusic, aber hier kann ich ihr nicht ausweichen. An jeder Ecke stehen Countryclubs, die

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