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Mit 80 000 Fragen um die Welt

Mit 80 000 Fragen um die Welt

Titel: Mit 80 000 Fragen um die Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dennis Gastmann
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ist. Für diese Entscheidung hat Air Madagascar nur ein paar Stunden gebraucht.
    «Wir fliegen nach Mahajanga,
    einem gemütlichen Urlaubsort,
    weißer Sand und Frauen im Stringtanga,
    doch ein Mann ist nicht mehr an Bord.»
    Mein Sitznachbar fehlt. Der Sportminister im Jogginganzug hatte es vorgezogen, mit dem Helikopter weiterzureisen. Er kann es sich leisten, nach so einem Putsch lässt man ja bekanntlich die Korken knallen. Der Expräsident des Landes, ein reicher Milchproduzent, ist übrigens über Bord gegangen, weil er sich wohl etwas zu oft in der Staatskasse bedient haben soll – aus Rache hat das Militär angeblich all seine Milchfabriken zerstört. Dumm nur: Der Expräsident besaß ein Monopol – jetzt muss Madagaskar Milch importieren. Neuer Präsident des Landes ist übrigens ein 3 6-jähriger Discjockey. Vor Madagaskar liegt eine unsichere Zukunft.
    Mit sechs Stunden Verspätung erreichen wir Mahajanga. Gerade noch rechtzeitig, denn wir sind mit dem Präsidenten verabredet. Dem Präsidenten der Handelskammer, aber immerhin.
    «Man muss mit dem Wind segeln», steht im Treppenhaus seiner großzügigen Residenz geschrieben, es könnte das Lebensmotto von Monsieur Pagès sein. Dreimal war er Bürgermeister der Stadt, dreimal mit einer anderen Partei.
    Der Monsieur ist sehr klein, dafür aber umso breiter. Stell dir Louis de Funès vor und addiere fünfzig Kilogramm. Pagès empfängt mich in Hemd und kurzen Hosen, ein exzentrischer Typ ohne Haare, aber mit viel Temperament. Ich möchte ihm die Hand geben, doch die schlägt er aus. Monsieur Pagès ist kein Mann, der sich mit Förmlichkeiten aufhält.
    «Fragen Sie!»
    «Okay. Monsieur Pagès, wer liegt vor Madagaskar?»
    Der Monsieur hustet kurz durch, dann fällt ihm eine Antwort ein: «Nun, da gibt es die Seychellen im Norden von Madagaskar, die Komoren liegen so ein bisschen im Nordwesten   …»
    «Und stimmt es, dass Ihr Präsident ein DJ ist?»
    «Ein was?»
    «Ein DJ. Discjockey.»
    «Oui!», antwortet der Monsieur und holt weit aus. «Ihr Europäer! Ihr vergleicht Madagaskar immer mit Europa. Aber Madagaskar ist nicht Europa. Madagaskar ist Madagaskar! Madagaskar ist speziell! Wir leben nicht so schnell wie ihr Europäer. Auch unser Denken ist anders. Sieh mal: Die Franzosen essen Brot, die Deutschen essen Kartoffeln, und die Madegassen essen Reis. Darum haben wir eine ganz andere Mentalität.»
    Es liegt also am Essen. Das Essen auf Madagaskar ist tatsächlich etwas speziell. Kein Wunder, dass auf der Insel auch noch die Pest an Bord ist. Im Abendlicht spazieren wir über einen Markt und wundern uns, dass Fleisch und Fisch uns nicht hinterherlaufen. Die Lebensmittel, die ungekühlt auf Holztischen in der Sonne vor sich hin gammeln, sind schwarz von Fliegen. Ab und zu kommt der madegassische Metzger vorbei und wedelt sie mit einer Zeitung davon.
    Wenn du so etwas verspeist, dann liegst du schnell mal unter Madagaskar. Aber auch dann hast du nicht lange deine Ruhe, denn die Madegassen pflegen einen bizarren Totenkult. Mindestens alle zehn Jahre graben sie ihre Verstorbenen wieder aus, wickeln sie in Seide oder Bastmatten und tanzen mit den Resten von Oma, Uroma oder Ururoma zu lauter Trompetenmusik durch die Straßen. «Famadi hana »heißt dieses Fest, und ich gerate mitten hinein. Auf der Straße tanzt eine große Gruppe leicht bekleideter und schwer besoffener Damen und Herren, auf ihren Händen tragen sie eine kleine Kiste. Darauf klebt das Foto des Verstorbenen, ein junger Mann von höchstens dreißig Jahren. Sie wirbeln den kleinen Sarg wild durch die Gegend, drehen ihn, werfen ihn in die Luft, und jeder möchte ihn mal halten. Eigentlich ein schöner Brauch. Vielleicht sollten ihn die Amerikaner übernehmen. Sie könnten ab und zu Michael Jackson ausgraben, mit ihm über den Sunset Boulevard tanzen und dazu «Thriller» spielen. Oder «Remember the time». Oder «Don’t stop ’til you get enough».
    So eine Totenfeier erlebst du nicht oft, denke ich mir und beginne mitzutanzen. Ein Fehler, denn zwei sturzbetrunkene Mädchen umklammern mich von vorn und hinten und lassen ihre Becken auf eine etwas plumpe Weise kreisen.Keine schlechte Idee, aber die beiden lassen einfach nicht mehr los. Sie zerren und reißen an mir und klammern mich so fest, dass Thomas mich befreien muss. Es heißt, dass die Madegassen ihre Toten auf solchen Feiern wie Götter verehren. Offenbar geht es aber hauptsächlich um irdische Dinge: Sex & Alkohol. Famadihana ist

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