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Mit 80 000 Fragen um die Welt

Mit 80 000 Fragen um die Welt

Titel: Mit 80 000 Fragen um die Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dennis Gastmann
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gebrauchen.
    Wenigstens bin ich im Besitz von Drogen. Weil Madagaskar ein Malariagebiet ist, schmeiße ich seit Tagen Prophylaxe-Tabletten ein. Jetzt ist endlich Zeit, den Beipackzettel zu lesen, er ist etwa anderthalb Meter lang. Alles Nebenwirkungen: Kopfschmerzen, Fieber, Durchfall, Übelkeit und Erbrechen, Appetitlosigkeit (darüber kann ich nicht klagen), Juckreiz, Hautausschlag, Geschwüre im Mund, Entzündung der Blutgefäße, Schwellung des Gesichts oder anderer Körperteile (kein Kommentar), gelbe Verfärbung von Haut und Augen, Herzrasen (hab ich, liegt aber an Air Madagascar), Haarausfall (hab ich seit Jahren, liegt an meinen Genen), Depressionen, Panikattacken, Atemschwierigkeiten, plötzliches Keuchen (hatte Thomas die ganze Nacht), Schlaflosigkeit (hatten wir deshalb beide), plötzliches Weinen (könnte mir bald passieren) und seltsame Träume einschließlich Albträumen.
    Habe ich seit drei Tagen: In der ersten Nacht schnitt ich Thomas mit einem stumpfen Gegenstand den Arm ab, wickelte das Körperteil in Geschenkpapier ein und versteckte es bei meinen Eltern im Keller. Dabei erwischte mich meine Mutter: «Oh, ein Geschenk!» Zum Glück bin ich im gleichen Moment aufgewacht, die Sache mit dem Arm hätte einen Riesenärger gegeben. In der zweiten Nachttraf ich Satan. Er fragte mich, ob ich nicht Lust hätte, etwas kaputt zu machen. «Na klar!», antwortete ich, und sogleich färbte sich meine Haut blutrot, und mir wuchsen Flügel. Gemeinsam mit dem Fürsten der Finsternis bewarf ich Passanten mit Häuserdächern. Eine ganze Nacht lang. Und in der dritten Nacht war ich Klaus Kinski.
    Oh, wie ich sehe, tut sich was am Gate. Ein Wunder! Jemand hält ein Pappschild in die Höhe, «Mahajanga» steht darauf. Und das alles nur drei Stunden nach der planmäßigen Abflugzeit. Mura, Mura.
    Wir geben dem Steward unsere Bordkarten, folgen ihm in einer Gruppe aus etwa einhundert Passagieren über das Rollfeld, und vor der Propellermaschine bildet sich eine lange Schlange. Weil niemand das Gepäck kontrolliert hat, schleppen die Leute alles Mögliche in das kleine Flugzeug: gewaltige Taschen, Kisten, Körbe, Angelruten. Gleichzeitig versucht das Bodenpersonal verzweifelt, die Maschine mit Bordgepäck zu beladen. Sie stopfen die Koffer in den Gepäckraum, der ist zwar randvoll, doch das stört sie nicht. Die Männer drücken, schieben, pferchen, bis zwei Koffer aus der Maschine fallen und drei Meter tiefer auf dem Asphalt aufschlagen.
    Nein, das alles macht keinen guten Eindruck. In der Maschine sind sämtliche Sitze belegt, und im Gang stapeln sich Koffer. Auch mein Nebenmann ist nervös, ein junger Madegasse mit Brille, er reist im adidas-Jogger, in auffallend sauberen Sportschuhen und wackelt mit den Beinen. Eine Stunde vergeht, dann meldet sich der Kapitän:
    «Mesdames et Messieurs, ich bedaure, aber das Flugzeug ist überladen. Wir werden in wenigen Minuten starten – allerdings mit der Hälfte des Gepäcks.»
    Jetzt rasten die Passagiere aus. In Bruchteilen von Sekunden reißt es sie von ihren Sitzen. «Mein Gepäck muss mit, ich habe einen Anschlussflug!», ruft einer. «Mein Gepäck muss auch mit, ich bin Diabetiker», schreit ein anderer. Dann springt der Mann im Jogginganzug neben mir auf: «Mein Gepäck reist auf jeden Fall mit! Ich bin der Sportminister!»
    Sieh an, kaum an die Macht geputscht, schon in frischen Sneakern unterwegs. Nebenbei: Er sieht aus wie die madegassische Antwort auf Philipp Rösler.
    Die Stimmung ist nicht gut, es kommt zum Handgemenge. Einige Passagiere gehen dem Steward an den Kragen, andere ihren Mitreisenden. Dann meldet sich der Pilot: «Alle aussteigen! Sofort!»
    In der Wartehalle bekommen wir unsere Bordkarten zurück. Der Tumult wird heftiger. Um jedes Mitglied des Bodenpersonals hat sich eine beachtliche Traube gebildet. Geschrei. Alles diskutiert. Alles redet durcheinander. Ein Mann im Anzug betritt die Halle. Das muss der Chef sein, denke ich mir – und alle anderen denken dasselbe. Jetzt hat er die Meute am Hals.
    Nach einer Stunde Gebrüll tauchen Gerüchte auf. Gerücht eins: Das komplette Gepäck bleibt am Boden. Gerücht zwei: Der Flug wird gestrichen. Gerücht drei: Wir warten auf eine größere Maschine aus Paris, die Gepäck und Passagiere mitnehmen kann. Paris?
    Natürlich bleiben das alles nur Gerüchte. Nach einer weiteren Stunde steigen wir alle wieder in das Flugzeug, und einige Koffer bleiben am Boden. Gerade so viele, damit das Flugzeug nicht überladen

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