Mit anderen Augen (German Edition)
gekauft. Das Licht an den richtigen Stellen erspart einem weitere Sicherheitsmaßnahmen. Nicht, dass ich deshalb auf eine gute Alarmanlage verzichtet hätte. Die kann man allerdings umgehen oder ausschalten, was bei natürlichem Licht schwieriger ist.
Ich schleiche zurück in den Flur, in Richtung Wohnzimmer. An der Wand sind Flecken, die ich nicht kenne. Blut. Der Spritzrichtung nach zu urteilen, muss der Angreifer direkt an der Treppe gewartet haben, als mein Messer ihn erwischte. Mein Blick wandert über den Boden und vor dem Durchgang zum Wohnzimmer werde ich fündig. Weitere Blutflecken auf dem Boden. Mein Messer herumdrehend, damit die Klinge von meinem Unterarm verdeckt ist, um nicht zufällig Licht zu reflektieren und mich dadurch zu verraten, schleiche ich zur Tür und spähe ins Wohnzimmer.
Die Faust kommt schnell, ist aber nicht unerwartet. Ich kann sie abblocken und einen Gegenschlag mit meinem Messer landen, das ich durch die Handfläche meines Angreifers bohre. Kämpferisch keine Glanzleistung, doch darum geht es mir gar nicht. Mir geht es um den Überraschungseffekt und der gelingt, denn mein Gegenüber stöhnt auf und reißt instinktiv seine Hand zurück, was für weitere Schmerzen sorgt und mir das liefert, was ich brauche.
Zwei Sekunden Zeit, die ich nutze, um den Abstand zwischen ihm und mir zu überbrücken und mein Messer tief in den Bauch meines Angreifers zu stoßen.
Damit rechnen sie nicht. Tun sie nie. Auftragskiller sind erstklassig ausgebildet, was Angriff und Verteidigung angeht. Solche plumpen Finten, wie Stichwunden in der Hand, benutzt fast keiner. Die meisten von uns bilden sich etwas auf ihre Ausbildung ein und das können sie auch. Nur vergessen sie dabei gerne, dass es allein um das Töten geht. Was interessieren mich irgendwelche Feinheiten, wenn ich um mein Leben kämpfen muss? Eine Stichwunde oder fünf, wen kümmert das am Ende? Hauptsache, mein Gegner ist tot.
Ich habe in Japan das Kämpfen in Einklang mit Respekt vor meinem Gegner und der Ehre gelernt. Eine wunderschöne Art, scharfe Klingen zu benutzen und dabei einem Gegner im Normalfall nicht mal einen Kratzer beizubringen. Doch hier geht es nicht um Training, nicht um Ehre, nicht um den Einklang. Hier geht es ums Überleben und dafür ist mir keine Finte zu schmutzig, kein Schlag zu peinlich. Die Zeiten, in denen ich meine früheren Lehrmeister beeindrucken und stolz auf mich machen wollte, sind längst vorbei.
„Du kämpfst ohne Ehre.“
Ein Yakuza. Ich habe es bereits geahnt, als ich durch mein Haus schlich und jetzt hat er es mir bestätigt. Mit meiner Klinge im Bauch sinkt er zu Boden und ich folge seiner Bewegung, gehe mit ihm in die Hocke. Ich helfe ihm sogar dabei, sich hinzulegen, denn dieser Kampf ist vorbei. Er hat verloren und er weiß es.
„Wenn du einen ehrenvollen Zweikampf gewollt hättest, hättest du nicht im Dunkeln auf mich warten sollen.“
„Mein Fehler“, gibt er zu und stöhnt leise auf. „Warum bin ich noch am Leben?“
Seine Frage ist berechtigt und im Gegensatz zu Jannik, kann ich ihm sofort eine Antwort darauf geben, denn ich will etwas von ihm wissen. „Sag' mir, wie viel ich wert bin.“
Er schweigt, weshalb ich die Klinge in der Wunde herumdrehe. Ein erneutes Stöhnen verrät mir, welche Schmerzen er gerade hat, aber er beherrscht sich. Zumindest solange, bis ich die Klinge ein Stück nach oben ziehe.
„5 Millionen Dollar“, bringt er keuchend heraus und ich halte inne, denn er hat begriffen, dass ich ihn wie einen Fisch ausnehmen werde, wenn er mir nicht sagt, was ich wissen will.
„Derselbe Auftraggeber?“
„Ja.“
„Woher weißt du von diesem Haus?“
„Von ihm.“
„Welche Häuser kennt er noch?“
„Alle.“
Das glaube ich ihm unbewiesen. In der heutigen vernetzten Welt ist nichts für immer sicher und ich werde nicht zu Haus Nummer zwei fahren, um mein Glück auf die Probe zu stellen. Allerdings werde ich diesen Killer nicht umbringen, denn er muss etwas für mich tun. Dass die Yakuza ihn hierher geschickt haben, könnte ich als einen Wink des Schicksals ansehen, denn er ist die beste Gelegenheit herauszufinden, wer hinter der ganzen Sache steckt. Ihn am Leben zu lassen, bietet mir vielleicht die Möglichkeit einer Verhandlungsbasis. Es ist den Versuch wert.
„Ich biete dir ein Geschäft an. Du wirst deinen Angriff auf mich überleben, wenn du deinem Auftraggeber eine Nachricht überbringst.“
Schweigen.
Ich weiß auch warum. Einem Yakuza geht seine
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