Mit anderen Augen (German Edition)
Ehre über alles und was ich ihm anbiete, ist das Gegenteil davon. Allerdings habe ich eine Idee, wie ich ihm die Sache schmackhaft machen kann.
„Ich wäre keine 5 Millionen wert, wenn ich als Auftragskiller nichts taugen würde. Bring' deinem Boss meine Nachricht und du bekommst eine zweite Chance, mich zu töten.“
„Du wirst nicht lange genug leben, um mir diese Chance zu geben“, widerspricht er und spielt mir damit perfekt in die Hände.
„Woher willst du das wissen? Immerhin liegst du gerade mit einem Messer im Bauch am Boden, nicht ich.“
Er zögert nicht länger. „Einverstanden.“
Ich lasse das Messer los und er umfasst es sofort mit der Hand. Die Klinge muss in der Wunde bleiben, bis er von einem Arzt behandelt werden kann, sonst wird er verbluten und das weiß er.
„Wie heißt du?“
„Yoshiro.“
„Ich werde auf dich warten, Yoshiro“, verspreche ich ihm und als er nickt, stehe ich auf. „Jannik Whistler steht unter meinem Schutz. Sag' deinem Auftraggeber, dass der Junge an einem Vertrag interessiert ist. Sag' ihm außerdem, die Firma seines Vaters interessiert ihn nicht und er ist bereit zu verzichten. Als Preis für sein Leben.“
„Er hat keine Ehre. Er hat nichts vorzuweisen. Sie werden ablehnen.“
Das stimmt und es ist ein Problem. Allerdings hat Jannik etwas, das die Yakuza nicht ignorieren wird. Hoffe ich. „Er hat mich und ich habe sehr viel vorzuweisen.“
Ich kann Yoshiro in der Dunkelheit nur grob erkennen, aber seine Verwunderung ist spürbar. „Du stellst dich vor dein Opfer? Warum?“
„Ich weiß es nicht.“
Yoshiro schweigt kurz, dann räuspert er sich. „Einverstanden.“
„Zack?“
Verdammt noch mal, Jannik ist mir ins Haus gefolgt. „Bleib da!“
Ein Lichtstrahl blendet mich kurz. Er hat die Taschenlampe aus dem Auto genommen und leuchtet jetzt auf Yoshiro und mich. „Mein Gott“, flüstert Jannik entsetzt, als er begreift, was er gerade sieht.
Ich verdrehe seufzend die Augen und blicke auf Yoshiro hinunter, der in seinem Blut liegt und gerade über seine Schulter sieht. Ich sehe wieder zu Jannik, dessen vor Schreck geweitete Augen auf das Messer in Yoshiros Bauch gerichtet sind. Ich wette, die Stichwunde in dessen Hand und in Yoshiros Schulter, die von meinem Messerwurf stammt, hat er noch gar nicht bemerkt. Ist auch besser so, denn Jannik ist jetzt schon verdächtig blass um die Nase und das hat leider gar nichts mit seiner Grippe zu tun.
„Warte draußen!“
„Aber...“
„Raus hier!“ Noch mal werde ich es ihm nicht sagen und das versteht Jannik, denn er macht wortlos kehrt und verlässt das Haus. Ich sehe zu Yoshiro. „Wenn du stirbst, bekommst du keine zweite Chance.“
„Ich habe nicht vor zu sterben.“
„Gut.“
Ich lasse Yoshiro liegen, hole das Geld, weswegen ich gekommen bin und verlasse das Haus, um mich auf dem Weg zum Auto über mich zu ärgern. Dieser Zwischenfall geht auf mein Konto. Ich habe nicht damit gerechnet, dass meine Unterkünfte enttarnt werden, dabei hat Jannik mir persönlich bewiesen, wie schnell das gehen kann. Ich habe einfach nicht darüber nachgedacht.
Mein Fehler. Ich werde ihn kein zweites Mal machen.
Jannik starrt stur geradeaus, als ich eine Straße weiter zu ihm in den Wagen steige. Er schweigt, bis wir die Stadtgrenze hinter uns gelassen haben, und das erste Geräusch, das ich schließlich von ihm höre, ist ein Würgen. Erstaunlich, wenn ich an seinen Blick im Haus denke. Bei der Menge an Blut auf dem Boden, habe ich damit gerechnet, dass er ohnmächtig wird oder sich gleich im Haus übergibt. Er hat eine gute Selbstbeherrschung, das muss ich ihm lassen, wobei es im Moment zum Großteil noch der Schock ist. Trotzdem glaube ich, dass Jannik verdammt hart im Nehmen ist, er weiß es nur nicht.
„Wenn du in den Wagen kotzt, putzt du ihn“, drohe ich, als er erneut würgt. Jannik muss lernen sich zusammenzureißen und das möglichst schnell.
Es dauert einige Minuten, bis er sich wieder unter Kontrolle hat und mich angeekelt ansieht. „Wird er sterben?“
„Nein. Diese Typen sind zäher, als sie aussehen.“
„Er hat dein Messer im Bauch“, widerspricht er, als hätte das etwas zu bedeuten.
Ich zucke die Schultern. „Und?“
„Und?“, wiederholt Jannik schockiert und schluckt sichtlich, bevor er kopfschüttelnd aus dem Fenster sieht. „Ich habe so etwas noch nie gesehen.“
„Siehst du kein Fernsehen?“
„Das ist nicht dasselbe.“
Nein, ist es nicht. Da hat er Recht.
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