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Mit anderen Augen (German Edition)

Mit anderen Augen (German Edition)

Titel: Mit anderen Augen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kerstin Kroll
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Kindheit nicht viel besser als meine. Mit dem einzigen Unterschied, dass meine Mutter mich bis zu ihrem Tod geliebt hat.
    Ich kann nicht beurteilen, ob seine Mutter ihn liebt, aber ich kann beurteilen, ob sich jemand um sein Kind kümmert und sie hat es nicht getan. Sonst hätte Jannik nicht bei den einfachsten Dingen des Lebens Schwierigkeiten.
    Noch ein Grund mehr, New York als Unterschlupf zu meiden.
    Wir werden es mit Boston riskieren, überlege ich, nachdem ich Bob mit Futter bestochen und meinen Laptop eingeschaltet habe, um mit Hilfe von Google Maps unsere Route ein wenig zu planen. Jannik muss seine Erkältung, Grippe oder was immer er mit sich herumschleppt, auskurieren und dafür brauchen wir Zeit. In Philadelphia werden wir halten, um Geld zu holen. Ich habe für den Notfall in jeder Unterkunft Bargeld versteckt. Das wird reichen, ein neues Auto zu besorgen und weiter nach Boston zu fahren. Apropos Auto. Ich muss den geklauten Wagen verschwinden lassen.
     
    Ich werde wach, weil ich friere. Jannik hat mir die Bettdecke geklaut und sich darin eingewickelt, seine eigene liegt zu einer Wurst gedreht am Fußende. Das habe ich nun davon, selbst eine Weile schlafen zu wollen. Die nächsten Nächte dürften spaßig werden, wenn er immer so wühlt wie bei sich zu Hause.
    Statt mir seine Decke zu nehmen, werfe ich einen Blick auf die Uhr und stehe auf. Es ist kurz nach neun Uhr morgens, ich lasse ihn noch eine Stunde schlafen, dann ziehen wir weiter.
    Nach ein paar Streckübungen und einer Dusche, wovon Jannik nicht das Geringste mitbekommt, lasse ich Bob aus seiner Transportbox, der mir sofort zu verstehen gibt, dass er ein Katzenklo braucht. Wir haben nur leider keines, weshalb ich ihn ins Badezimmer sperre, denn das ist gefliest und leichter sauberzumachen, als der abgenutzte Teppich hier im Zimmer. Für den Fall, dass er aufwacht, lege ich Jannik eine kurze Nachricht aufs Kopfkissen und ziehe mich an, um uns Frühstück und Kaffee zu besorgen.
    Jannik steht unter der Dusche und Bob liegt eingerollt auf dem Bett, als ich zwanzig Minuten später zurückkomme. Gut, dann muss ich ihn nicht aufwecken. Nach einem prüfenden Blick auf seine Medikamente, bin ich zufrieden. Er hat das Hustenzeug und eine Tablette gegen das Fieber genommen. Ich stelle die belegten Brötchen und den Kaffee auf den Tisch und fahre den Laptop hoch, um zu sehen, ob es Neuigkeiten gibt. Mein Gefühl sagt mir, dass irgendetwas los ist und die neue Mail im Postfach bestätigt meinen Verdacht.
    „Sie sind schnell“, murmle ich, nachdem ich die zwei Sätze gelesen haben. Mehr war nicht nötig, um mich darüber in Kenntnis zu setzen, dass ich den Job los bin und mit Jannik auf der Abschussliste stehe.
    Damit habe ich zwar gerechnet, allerdings erst in ein paar Tagen. Das leise Klappen der Badezimmertür lässt mich aufmerken, aber ich schließe den Laptop nicht. Jannik kann wissen, was los ist, immerhin geht es auch um sein Leben. Ich warte, bis er hinter mir scharf die Luft einzieht.
    „Das ist normal.“
    „Normal?“, fragt Jannik entsetzt, worauf ich mich zu ihm umdrehe.
    Er hat sich ein Handtuch um die Hüfte gewickelt und ist ansonsten nackt. Kein kluger Schachzug für einen Kranken, allerdings werde ich jetzt nicht darauf herumreiten. Wir haben Wichtigeres zu bereden.
    „Was hast du erwartet? Dass ich dir deinen Hintern rette und dafür keine aufs Maul kriege?“
    Im ersten Moment ist er sprachlos, dann verfinstert sich sein Blick. „Du hast sie doch nicht alle. Woher soll ich denn bitteschön wissen, was dich erwartet? Glaubst du, mein Freundeskreis besteht nur aus Auftragskillern?“
    „Du hast keine Freunde. Abgesehen von alten Schulkameraden und diesen Internetbekanntschaften.“
    „Danke für die Information, das weiß ich selbst.“ Jannik deutet auf den Laptop. „Wieso hast du das getan, wenn du wusstest, dass sie dann auch hinter dir her sein werden?“
    „Keine Ahnung.“
    „Keine Ahnung?“ Er blinzelt irritiert. „Was ist das denn für eine Antwort?“
    „Die Wahrheit.“ Ich wende mich wieder ab und lösche die Mail, um den Laptop danach herunterzufahren.
    „Ich will es wissen, Zachary.“
    Damit steht er nicht allein da. „Das ist mir schon klar, aber ich weiß es nicht. Wenn ich wüsste, warum ich dir nachgestiegen bin und dich beschütze, würde ich es ändern, aber ich weiß es nicht, was dein Glück ist.“
    Das entspricht nicht ganz der Wahrheit, aber das kann ich schlecht zugeben. Ich ahne jedoch, dass

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