Mit anderen Augen (German Edition)
Grund für deine Aussage, dass du mir mehr bezahlt hättest als meine Kunden“, kontere ich, was ihn schnauben lässt.
„Für dich vielleicht nicht.“
Das ist nicht alles. Was immer zwischen seinem Vater und ihm war, es ging tief. So tief, dass er bereit war, dasselbe zu tun, was ich damals mit Achtzehn tat. Einen Mord in Auftrag zu geben. Ich weiß nicht, ob er jemals den Mut dafür gefunden hätte, wäre ihm die Yakuza nicht zuvorgekommen. Um ehrlich zu sein, bezweifle ich es, denn er scheint mir nicht der Typ Mensch zu sein, der mit einem Mord umgehen kann. Ich werde nicht nach dem wahren Grund für seine Aussagen fragen. Zumindest jetzt noch nicht. Aber ich werde ihn etwas Anderes fragen. Diese Nacht ist bereits so verrückt, da kommt es darauf nun auch nicht mehr an.
„Warum hast du nach mir gesucht?“
Whistler zögert kurz. „Ich wollte es wissen.“
„Was?“
Sein Blick schweift zum Fenster. „Meine Mutter hat mir als Kind immer gesagt, dass es keine Monster gibt. Jedenfalls keine wirklichen. Es gäbe nur solche Monster wie meinen Vater und jene, die ihn eines Tages umbringen würden. Ich wollte wissen, ob das stimmt. Ich wollte wissen, ob es Menschen wie dich wirklich gibt.“
So merkwürdig das klingt, ich glaube ihm. Und ich werde ehrlich darauf antworten, denn er verdient es. „Deine Mutter hat Recht.“
Whistler nickt, sieht auf Bob, zu mir in die Ecke und legt sich dann wieder hin. „Wenn du mich umbringst, würdest du es bitte ohne große Sauerei machen?“
„Warum?“
Er seufzt. „Weil ich kein Blut sehen kann.“
Er kann kein...? Himmel, ich muss sofort hier raus.
„Kümmerst du dich um Bob, wenn ich tot bin? Er mag dich.“
Darauf antworte ich Whistler nicht mehr, sondern verschwinde so lautlos aus der Wohnung, wie ich gekommen bin. Dieses Gespräch war merkwürdig. Schräg, fällt mir als Beschreibung ebenfalls ein. Ich weiß nicht, was dieser Junge an sich hat, aber ich bin irgendwie fasziniert von ihm. Ich meine, wer bittet denn einen Killer auf den eigenen Kater aufzupassen, wenn jener Killer ihn getötet hat? Vielleicht hat Jannik Whistler einen psychischen Knacks. Andererseits wird er das auch von mir denken, immerhin töte ich seit Jahren Menschen gegen Geld und wie die Allgemeinheit über Auftragskiller denkt, ist bekannt.
Ich habe mich nie so gesehen. Für mich ist das Töten einfach ein Geschäft und wenn es eine Moral gibt, dann habe ich sie in der Form, dass ich nur Leute töte, die es verdienen. Von den Kollateralschäden abgesehen, obwohl die selten sind. Aber darauf Rücksicht zu nehmen, kann ich mir nicht leisten.
Nun ja, ich bin offenbar doch ziemlich unmoralisch. Zumindest töte ich nicht jeden, vor allem keine Haustiere. Kater Bob muss das gespürt haben. Tiere haben einen sechsten Sinn für solche Dinge. Ich schätze, Whistler hat bei Bobs Verhalten mir gegenüber einfach die richtigen Schlüsse gezogen.
Wie gesagt, dumm ist der Junge nicht.
Ich bin es allerdings, fällt mir auf, denn ich habe seine Wohnung verlassen, mit einem lebenden Zeugen darin. „Verdammt!“
Eine späte oder eher frühe Passantin zuckt vor mir zusammen und eilt dann mit schnellen Schritten und viel Abstand an mir vorbei, während ich mich umdrehe und überlege, ob ich zurückgehen soll.
Nein, zu auffällig. Obwohl ich nicht glaube, dass Jannik die Polizei gerufen hat, sichergehen kann ich nun mal nicht und außerdem habe ich, weshalb ich ursprünglich gekommen bin. Die Daten von seinem Computer. Das Gespräch mit Whistler war ein Fehler. Ihn danach am Leben zu lassen der Zweite. Ich werde nicht zurückgehen und damit einen dritten machen. Erst will ich wissen, was er weiß. Wenn es zuviel ist, muss er verschwinden.
Ab sofort wird es keine Fehler mehr geben.
II
Fünf Tage halte ich durch. In der fünften Nacht stehe ich erneut in Whistlers Schlafzimmer, nachdem mir die Daten seines Computers verraten haben, dass seine Spur mit Sergej Romanov endete. Ich habe gefunden, was ich wissen muss. Er ist ein kleiner Computerfreak, aber Daten richtig zu sichern, hat ihm keiner beigebracht. Vor allem, sie verschwinden zu lassen, wenn man sie nicht mehr braucht. Ich habe alles über ihn gefunden. Kontodaten. Onlineprofile. Mails, die er sich mit einigen Leuten aus seiner alten Schule geschrieben hat.
Mails, die er mit einem Mitglied aus dem Vorstand der Firma seines Vaters getauscht hat, der ihm die Leute besorgte, um Romanovs Grab auszuräumen.
Der Mann ist
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