Mit Arabella fing alles an
rutschte heraus und lag auf dem gefrorenen Gras. Ich erinnerte mich daran, was jetzt zu tun war, und hob die beiden Vorderläufe in die Höhe, damit die Eingeweide in die richtige Lage kamen. Das Lamm gab kein, Lebenszeichen von sich. Vielleicht waren die Anstrengungen zu groß für es gewesen. Ich beeilte mich, Maul und Nase freizumachen, und legte es vor das Mutterschaf.
Während einer halben Ewigkeit schienen meine ersten Bemühungen als Schafhirte ohne Erfolg gewesen zu sein. Doch plötzlich schnappte das Lamm nach Luft und fing zu atmen an, während seine Mutter es mit der Nase leicht stupste und dann Leben und Wärme in seinen kleinen Körper leckte. Jetzt brauchte man mich nicht mehr, ich wurde zum Eindringling. Bevor ich ins Bett ging, sah ich eine halbe Stunde später nochmals nach den beiden. Das Lamm war gerade beim Trinken, und seine Mutter wollte es von mir fortführen.
Für einen erfahrenen Bauern war dies alles natürlich Routine. Aber obgleich mir das klar war, wurde ich das Gefühl nicht los, etwas zuwege gebracht zu haben. Auch die Tatsache, daß sich diese Szene wahrscheinlich noch ein Dutzend Mal wiederholen würde bis zum Ende der Lammperiode, konnte meine Gefühle nicht schmälern. Als ich wieder im Haus war, genehmigte ich mir einen großen Schluck von Shirleys Kartoffelschnaps, um das Ganze etwas zu feiern. Er roch, und wahrscheinlich schmeckte er auch so, nach Farbverdünner, aber meine Leistung mußte irgendwie belohnt werden, und in unserem >Weinkeller< boten sich keine Alternativen an.
Es war klar, daß selbst das aufmerksamste Beobachten nicht jede Tragödie verhindern konnte. Eines Morgens lag ein Mutterschaf tot unter der Hecke, ihre beiden Lämmer waren eng an es geschmiegt auf der Suche nach Wärme und Schutz. In ein besonderes Gehege mit Strohballen wurden sie zusammen mit den beiden Lämmern aus dem Dreierwurf gesteckt.
Wir bekamen noch zwei Waisen, als deren Mutter, ein großes Kerry-Hill-Schaf, starb. Nach der Geburt der beiden Zwillinge schien alles gutgegangen zu sein; aber am nächsten Morgen stand sie teilnahmslos herum und war offensichtlich krank. Es lag noch ein drittes, totes Lamm in ihrem Bauch. Da ein solcher Eingriff für mich zu schwierig war, hoben John und ich sie in den Lieferwagen und fuhren zum Tierarzt. Während der Lammsaison konnte man ihn und seinen Assistenten an einem zentral gelegenen Ort aufsuchen, wo er sich dienstbereit für alle Bauern mit derartigen Notfällen installiert hatte.
»Ziemlich unangenehme Sache«, meinte der Tierarzt im Anschluß an die Voruntersuchung. »Das Lamm ist da, aber tot und so verdreht wie ein Korkenzieher.«
Es dauerte eine Weile, doch dann richtete er sich wieder auf, verfluchte seinen Rücken und hielt das Lamm in die Höhe. Es war zusammengelegt wie eine Sicherheitsnadel. »Schon eine Zeitlang tot«, brummte er. »Nichts mehr zu machen. Ich geb’ dem Mutterschaf noch ein paar Spritzen, aber es ist besser, wenn sie es in Ihrer Nähe lassen. Ich glaub’ nicht, daß noch was aus ihm wird.«
Er hatte recht. Trotz der eifrigen Nasenstüber der beiden Zwillingslämmer starb das Mutterschaf in der Nacht.
Ein weiteres Paar mußten wir von einem Schaf fortnehmen, das keine Milch hatte. Hungrig saugten sie, aber es kam nichts, und sie wurden ständig schwächer, bis das kleinere zusammenbrach. Einem erfahrenen Bauern wäre längst ihr Zustand aufgefallen, bevor John sie hereintrug und das Mutterschaf hinterhertrottete.
»Wir müssen ihnen so schnell wie möglich was zu trinken geben«, sagte er und setzte sich mit den beiden auf den Knien hin, um ihnen tropfenweise Milch einzuflößen. Zum Saugen waren sie bereits zu schwach. Doch die warme Nahrung munterte sie wieder auf. Sie überlebten und erhielten einen Platz in Shirleys Kindergarten.
Während einiger Tage kam das Mutterschaf zum Gehege und rief sie. Zunächst antworteten sie, und die Mutter blieb beim Grasen in ihrer Nähe, um sie hin und wieder rufen zu können. Aber bald hatten die Kleinen sie vergessen und schenkten ihre Aufmerksamkeit der Flaschenmutter. Noch zwei Tage lang lungerte das Mutterschaf herum, aber dann ging es zur Herde zurück. Es lohnte sich nicht, dieses Tier weiterhin zu behalten, und so fuhren wir es bei der erstbesten Gelegenheit zur Auktion und verkauften es für den Fleischmarkt.
Zum Ende der ersten Aprilwoche war für uns die Lammzeit vorbei. Wir hatten zwar noch ein Mutterschaf verloren, hatten es aber geschafft, seinen Sprößling von
Weitere Kostenlose Bücher