Mit Arabella fing alles an
auf zitterigen Beinen, während die Mutter, ein kleines Clun-Schaf mit dunklem Gesicht, noch das zweite säuberte. Ich brauchte nicht zu helfen. Sie wußte, was zu tun war. Wir sahen uns einen Moment lang an, und dann, als sie merkte, daß ich keine Gefahr bedeutete, fuhr sie mit ihrer Aufgabe fort. Mir brachte dieser Augenblick für alle Mühen der nächtlichen Wachen die Belohnung.
Ich dachte an die Bibel, als ich die beiden Lämmer unter den Armen, gefolgt von dem besorgten Mutterschaf, zum Schuppen trug, wo wir eine Empfangszentrale aus Strohballen gebaut hatten. Für eine hypodermatische Einspritzung lag die mit Impfstoff gefüllte Nadel in einer Schachtel auf der Brüstung bereit. Der Impfstoff sollte die Lämmer gegen die am meisten verbreiteten Krankheiten schützen. In wenigen Minuten waren beide Neuankömmlinge geimpft, mit einem roten Punkt der Markierungsflüssigkeit versehen und wieder zu ihrer Mutter entlassen.
Geschützt vor dem kalten Wind und vor den Füchsen, konnten sie hier die Nacht verbringen. Füchse, so behaupteten die Einheimischen, würden gern um diese Zeit herumschnüffeln in der Hoffnung, ein neugeborenes Lämmchen zu erwischen. Sobald die Lämmer trocken waren und herumsprangen, betrachtete man sie als gerettet. Am stärksten gefährdet waren die schwachen Neuankömmlinge.
Old Jonathon hatte noch einen Ratschlag für uns bereit. »Halt ja die alten Säue gut hinter Schloß und Riegel«, warnte er. »Als ich Kind war, hatten wir eine Sau, die sich ein Lamm schneller schnappte als ein Fuchs — und es auch fraß.«
Wir gingen kein Risiko ein. Dorrie und Dorfie wurden beide zu Kasernenarrest verdonnert.
Nun kamen die Lämmer stetig auf die Welt. Unter den ersten Würfen waren eine Menge Zwillinge und zweimal Drillinge. Wenn ein Schaf nur ein Lamm hat, wird es meistens voll ausgetragen, während bei mehreren der Zeitpunkt des Werfens oft verfrüht liegt. Bei den Drillingen wurde je ein Lamm — das kleinste — von der Mutter weggenommen und mit der Flasche großgezogen. Wir hielten zwei Lämmer pro Mutterschaf für ausreichend. Man konnte ein Surrogat an Schafsmilch kaufen, das sich als sehr erfolgreich erwies.
Es war eine hektische Zeit. Ausgelaugt von den unterbrochenen Nächten in bezug auf Schlaf, unablässigen Alarmen und Ausflügen, liefen wir wie halb betäubt herum, aber die Kleinen fanden es herrlich. Sie nahmen es sehr wichtig, uns auf dem laufenden zu halten, sie streichelten die Lämmer und gaben ihnen die Flasche, sie beobachteten die Mutterschafe und rasten sofort zu uns zurück, um uns die Ankunft eines Neulings mitzuteilen. Auf der Wiese gingen sie sogar mit einer vollen Milchflasche in der Hand herum, um notfalls jedem Neuankömmling, der etwas gebrechlich aussah, eine Sonderration zu geben.
Ihre Begeisterung war zwar gelegentlich etwas ermüdend, aber ihre Hilfe war unbezahlbar. Wir bewältigten alles gut und hielten die Daumen, daß nichts schiefgehen möge. Aber natürlich passierte dann doch etwas.
Meine ersten Erfahrungen als Hebamme für Lämmer sammelte ich in den ersten Stunden eines bitter kalten Freitags. Es handelte sich um ein großes Schaf besonderer Kreuzung. Mit bebenden Flanken stand es in einer Ecke des Feldes, vor lauter Erschöpfung hatte es den Kopf zwischen die Vorderbeine gehängt. Es war nicht in der Lage, das Lamm herauszupressen, und durch die Anstrengung stand es kurz vor dem Zusammenbruch. Als ich es einfing, wehrte es sich kaum.
Es wäre jetzt schön gewesen, Howards Stimme mit seinen üblichen Worten zu hören: >Ich sag’ dir, was du jetzt tun mußt...< Aber es war niemand da, der mir hätte helfen können. Das Schaf lag ganz ruhig. Ich benetzte meine rechte Hand mit Karbolseife, die ich in einer Flasche in der Hosentasche bei mir trug, und fahndete in seinem Inneren nach dem Lamm. Statt des erhofften Kopfs ertasteten meine Finger einen Hinterlauf und den Schwanz: Es handelte sich um eine Steißgeburt, dazu noch eine furchtbar verdrehte.
Trotz der kühlen Luft vor dem ersten Morgendämmern stand mir bei der Arbeit der Schweiß auf der Stirn. Sicher hätten sich die Einheimischen über meine Fummelei lustig gemacht, aber schließlich streckte sich das eingeklemmte Bein und kam zum Vorschein. Von nun an war es verhältnismäßig einfach. Sobald die Beine draußen waren, mußte man versuchen, die eigenen Anstrengungen mit denen des Mutterschafs, das Lamm zu werfen, in Einklang zu bringen. Ein paar Minuten später war es geschafft: Es
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