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Mit Blick aufs Meer - Mit Blick aufs Meer - Olive Kitteridge

Titel: Mit Blick aufs Meer - Mit Blick aufs Meer - Olive Kitteridge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Strout
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der Straße, KÄTZCHEN ZU VERSCHENKEN, und am nächsten Tag rückte er in der Apotheke mit einem Katzenklo, Katzenfutter sowie einem kleinen schwarzen Kätzchen an, dessen Pfoten so weiß waren, als wäre es durch eine Schüssel Schlagsahne spaziert.
    »Oh, Henry!«, rief Denise, nahm ihm das Kätzchen aus den Armen und drückte es an die Brust.
    Er war überglücklich.
    Weil es noch gar so klein und jung war, durfte das Tier tagsüber mit in die Apotheke, wo auch Jerry McCarthy es in seiner dicken Hand halten musste, vor seinem schweißfleckigen Hemd. »Mann, ja. Goldig. Nette Katze«, sagte er pflichtschuldig, und Denise befreite ihn wieder von seiner pelzigen kleinen Last und rieb ihre Nase an Slippers Köpfchen, während Jerry ihr zuschaute, die dicken, feuchtglänzenden Lippen leicht geöffnet. Jerry hatte noch zwei Kurse an der Universität belegt und in beiden wieder mit Eins abgeschlossen. Henry und Denise gratulierten ihm wie zerstreute Eltern; Kuchen gab es keinen.
    Sie hatte Schübe manischer Gesprächigkeit, gefolgt von tagelangem Schweigen. Manchmal schlüpfte sie zur Hintertür hinaus und kam mit verschwollenen Augen zurück. »Machen Sie früher Schluss, wenn Sie möchten«, sagte er. Aber sie sah ihn mit Panik im Blick an. »Nein. Nein, um Gottes willen. Ich will nur hier sein.«
    Der Sommer in diesem Jahr war sehr warm. Noch heute sieht er sie vor dem Ventilator am Fenster stehen, das dünne Haar zu kleinen Wellen hochgepustet, und durch ihre Brillengläser auf das Fensterbrett hinunterstarren. Minuten am Stück stand sie so da. Einmal fuhr sie eine Woche einen ihrer Brüder besuchen. Ein andermal fuhr sie für eine Woche zu
ihren Eltern. »Ich gehöre hierher«, sagte sie, als sie zurückkam.
    »Wie will sie in diesem winzigen Kaff jemals einen neuen Mann finden?«, fragte Olive.
    »Ich weiß nicht. Ich hab mich das auch schon gefragt«, gab Henry zu.
    »Andere Leute würden ihr Bündel schnüren und zur Fremdenlegion gehen, aber dafür ist sie nicht der Typ.«
    »Nein. Der Typ ist sie nicht.«
    Ihm graute, als es Herbst wurde. An Henry Thibodeaus erstem Todestag ging Denise mit ihren Schwiegereltern zur Messe. Er war erleichtert, als dieser Tag vorbei war, als eine Woche vorüberging und dann noch eine; aber die Feiertage nahten, und er fühlte eine Beklemmung, als trüge er eine Last, die um keinen Preis abgesetzt werden durfte. Als eines Abends beim Essen das Telefon klingelte, hob er voll böser Ahnungen ab. Denise stieß kleine Wimmerlaute aus - Slippers war aus der Wohnung entwischt, ohne dass sie es bemerkt hatte, und als sie noch rasch zum Einkaufen wollte, hatte sie ihn überrollt.
    »Fahr hin«, sagte Olive. »Fahr in Gottes Namen hin und halt deiner kleinen Freundin das Händchen.«
    »Olive, hör auf«, sagte Henry. »Was soll das? Sie ist eine junge Witwe, die ihre Katze überfahren hat. Hast du denn gar kein Mitleid?« Er zitterte richtiggehend.
    »Sie hätte keine einzige Katze überfahren müssen, wenn du ihr das Vieh nicht geschenkt hättest.«
    Er nahm ein Valium mit. Und dann saß er hilflos neben ihr auf der Couch und sah ihr beim Weinen zu. Es drängte ihn sehr, den Arm um ihre schmalen Schultern zu legen, aber er verschränkte die Hände fest im Schoß. Vom Küchentisch schien eine kleine Lampe herüber. Sie schnäuzte sich in ihr weißes Taschentuch und sagte: »Oh, Henry. Henry.« Er war sich nicht sicher, welchen Henry sie meinte. Sie sah zu ihm
hoch, ihre kleinen Augen waren fast völlig zugeschwollen; sie hatte die Brille abgenommen, um das Taschentuch dagegendrücken zu können. »In meinem Kopf red ich andauernd mit Ihnen«, sagte sie. Sie setzte die Brille wieder auf. »Entschuldigung.«
    »Entschuldigung wofür?«
    »Dass ich in meinem Kopf andauernd mit Ihnen rede.«
    »Nein, woher denn.«
    Er brachte sie zu Bett wie ein Kind. Gehorsam ging sie ins Bad und zog ihren Schlafanzug an, und dann lag sie unter der Decke, die ihr bis zum Kinn reichte. Er saß auf der Bettkante und strich ihre Haarsträhnen glatt, bis das Valium zu wirken begann. Die Lider sanken herab, und sie drehte den Kopf auf die Seite und murmelte etwas, das er nicht ganz verstand. Als er den Wagen langsam über die schmalen Straßen zurücklenkte, kam ihm die Finsternis draußen bedrohlich vor, wie ein Lebewesen, das sich gegen die Scheiben presste. Er stellte sich vor, er zöge mit Denise ins Hinterland und sie wohnten in einem kleinen Häuschen. Er könnte irgendwo dort oben eine Arbeit finden, und

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