Mit Blindheit Geschlagen
Kind von einem anderen kriegen, hätte er fast gefragt.
Sie schwieg und starrte an die Wand. »Ich war böse auf dich, Josef, ich habe dich verflucht und mich auch, weil ich mich fast mit einem eingelassen hätte, der nie weiß, was er will. Der mit nichts fertig wird, nicht mit Menschen, nicht mit seiner Arbeit. Der sich das Leben so leicht machen könnte, wenn er ein bisschen mehr Selbstvertrauen hätte.«
Er schaute sie an. Sie war schön in ihrem Zorn.
»Jetzt ist der Auflauf fertig«, sagte sie. »Wir essen, dann streiten wir weiter, dann kriegen wir heraus, wer bei dir spukt, und am Ende bringen wir Herrn Doktor ins Bettchen.« Sie deckte den Küchentisch und stellte eine Flasche Rotwein und einen Korkenzieher vor Stachelmann auf den Tisch. »Mach dich nützlich.«
Er öffnete die Flasche und schenkte ein. Sie aßen, er hatte keinen Hunger.
»Vielleicht ist es dieser Zakowski«, sagte sie. »Das fällt auf, seine Flüchtlinge werden gefasst, er kommt davon.«
»Den besuche ich morgen.«
»Ich werde dich nicht daran hindern können.«
»Ich will, dass der Wahnsinn aufhört.«
»Es wäre schön, du bliebst am Leben, falls dich dieser Gesichtspunkt interessiert.«
Er lachte. »Eigentlich schon, wenn ich es mir so überlege. Der Mörder sitzt mir bereits im Genick. Aber anscheinend will er nicht morden, sondern mich fertig machen.«
»Es sei denn, du rückst ihm zu nah.«
»Aber wenn er mich umbringt, hat er niemanden mehr, dem
er den Mord an Griesbach in die Schuhe schieben kann.«
»Er wird einen anderen finden.«
»Das ist nicht so leicht. Gegen andere gibt es keine Indizien. Man kann nicht beliebig Beweise präparieren. Nein, der ist auf mich angewiesen. Er muss mich sogar beschützen, mir darf nichts passieren. Wenn ich draufgehe, war seine Mühe umsonst.«
»Mag sein, aber wenn du ihm gefährlich wirst, bringt er dich um. Und wenn du weitermachst wie bisher, wirst du ihm gefährlich werden.«
Sie hatte Recht. Er schloss die Augen. »Das also ist meine Wahl. Entweder tot oder lebenslänglich im Knast.«
Er trank einen großen Schluck Wein. Seine Hand zitterte. Er fühlte sich elend. Seine Augen wurden wieder feucht. So klar hatte er die Ausweglosigkeit noch nicht gesehen.
»Komm, wir gehen ins Wohnzimmer. Nimm dein Glas mit.«
Sie setzte sich aufs Sofa und schlug mit der Hand auf den Platz neben sich. Er setzte sich neben sie.
»Du bist ein dummer Junge«, sagte sie. Sie küsste ihn auf die Wange. »Und ich fall auf so einen rein.« Sie tat so, als spräche sie mit sich selbst.
Felix begann zu schreien. Sie stand auf und verschwand im Schlafzimmer. Stachelmann lehnte sich zurück und schloss die Augen. Er war erschöpft und verzweifelt. Das Schreien hörte auf, die Schlafzimmertür dämpfte Annes Stimme. Dann kam sie wieder. »Hat wohl schlecht geträumt«, sagte sie. »Ob Säuglinge träumen?« Sie setzte sich auf seinen Schoß und küsste ihn auf den Mund. Er spürte ihre Zunge und erwiderte ihr Suchen. Dann küsste sie ihn auf die Stirn und stand auf. »Als aufgeklärter Mann weißt du bestimmt, dass Mütter kurz nach der Geburt noch nicht so scharf sind auf Sex. Wir holen das aber nach. Auf die paar Wochen kommt es auch nicht mehr an.« Sie lachte. Natürlich wusste er es nicht, aber er sagte nichts. Er genoss es, in seiner Verzweiflung ein wenig Glück zu spüren.
Als sie ins Bett gingen, legte sie sich in seinen Arm. Ihr Kopf wurde ihm bald schwer, aber er ertrug den Schmerz. Er hatte sie oft weggestoßen, es zählte nicht, ob er es bewusst getan hatte oder unwissentlich. Er hielt aus, bis sie sich auf die Seite drehte. Der Schlaf ließ auf sich warten, er hörte sie tief und regelmäßig atmen. Seine Schulter schmerzte noch. Er hatte ihr gesagt, dass er früh aufstehen müsse, und sie hatte gelacht. »Das wird der junge Mann schon erledigen.« Sie zeigte auf das Kinderbett. Felix prustete leise, als wollte er bestätigen, was seine Mutter angekündigt hatte.
Es dauerte ein paar Augenblicke, bis er begriff, wo er lag und woher das Babygeschrei kam. Anne stand auf und hob Felix aus dem Bett. Sie verließ das Schlafzimmer mit dem schreienden Baby, dann verstummte das Kind. Stachelmann stand auf und duschte. Danach ging er in die Küche, das Teewasser kochte. Anne strahlte ihn an aus müden Augen.
Nach einem eiligen Frühstück hastete er zum Bahnhof. Er musste nach Hause, das Auto holen und dann nach Beeskow fahren, zu Zakowski, der vielleicht ein Mörder war. In der Bahn dachte
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