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Mit Blindheit Geschlagen

Mit Blindheit Geschlagen

Titel: Mit Blindheit Geschlagen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Ditfurth
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wusste von seinen Kollegen. Es war wenig, fast nichts. Er war Lehmann dankbar, der schnitt ihn nicht. Bohming dagegen ließ nichts von sich hören. Renate Breuer auch nicht, wo sie doch sonst immer mal reinschaute, auch wenn es keinen Grund dazu gab. Mit einem Mörder tratscht es sich nicht gut. Aber noch ließ Bohming ihn arbeiten. Stachelmann ahnte, wie der Sagenhafte sich den Kopf zerbrach, um sich gegen alle Gefahren abzusichern. Wenn er ihn rausschmiss, würde es heißen, Bohming habe die Unschuldsvermutung missachtet und kalte Füße bekommen. Wenn er ihn nicht rausschmiss und Stachelmann verurteilt wurde, würde es heißen, er habe einen Mörder beschäftigt. Das Schlimmste für Bohming war, es blieb etwas hängen am Historischen Seminar und damit an ihm. Ein Historiker ermordet, ein anderer unter Mordverdacht, das ist das Gegenteil von Imagepflege und schlecht für Bohmings Bestreben, Geldgeber zu finden.
    Stachelmann schlug die Zeit tot, bis sein Seminar begann. Nach dem Seminar wunderte er sich, wie er es bewältigt hatte. Er bildete sich ein, die Studenten hätten nicht gemerkt, dass er mit den Nerven am Ende war. Wenn du im Seminar ausflippst, wird Bohming dich suspendieren. Das wäre ein halber Schuldspruch. Du musst durchhalten. Er hielt durch, wenn auch mit weichen Knien. Schon kurz danach, als er wieder in seinem Zimmer saß, wusste er nicht mehr, was referiert und was diskutiert worden war. Es war ihm gleichgültig. Er dachte an Anne. Bald würde er bei ihr sein.
    ***
    Frau Patzeck hatte den Klingelklöppel im Flur mit einem Lappen blockiert. Nun musste jeder, der Wolf Griesbach besuchen wollte, bei ihr klingeln. Sie begleitete den Besuch dann nach oben. Griesbachs Briefkasten hatte sie mit Klebeband verschlossen und dem Postboten gesagt, er möge alle Post in ihren Briefkasten werfen. Nachmittags stieg sie die Treppe hoch, klopfte bei Griesbach und reichte ihm seine Post. Wenn er nicht da war, fing sie ihn auf der Treppe ab. Griesbach überlegte, ob Frau Patzecks Maßnahmen damit zusammenhingen, dass er etwa alle vier Wochen Damenbesuch empfing, der aber rechtzeitig vor zweiundzwanzig Uhr das Haus verließ. Dann fragte er sie, ob es ihr nicht Mühe bereite, die Post zu verteilen und Besuch die Treppe hinaufzubegleiten.
    »Das schon«, sagte Frau Patzeck. »Aber ich muss ja wissen, was in meinem Haus passiert.«
    Mit dem Alter wuchs ihr Misstrauen. Sie streifte häufig im Haus umher, und die Mieter mussten jederzeit damit rechnen, dass Frau Patzeck vor einem stand, etwas murmelte und ungeniert hinter einem herlief, bis man in seinem Zimmer verschwand.
    Als sie zum ersten Mal Margarete nach oben begleitete, musste Griesbach lachen, nie hatte er Margarete so entsetzt blicken sehen. Als Frau Patzeck gegangen war, erzählte Griesbach von den neuen Macken der Wirtin.
    Da sagte Margarete, er müsse woanders hinziehen. Irgendwann schnüffele die Patzeck in den Studentenbuden herum, und er sei ja nicht der Ordentlichste. »Stell dir vor, du lässt was herumliegen, was uns verrät, und die Patzeck rennt damit zur Polizei.«
    Er sah es ein. »Dann ziehe ich zu dir, du hast bestimmt eine schöne große Wohnung.«
    Sie schaute ihm lange in die Augen. »Dann erzähl mal, was du für den Frieden und den Fortschritt der Menschheit getan hast.« Sie grinste.
    »Ohne mich gäbe es keinen Frieden und schon gar keinen Fortschritt.«
    »Ja, wenn das so ist, nehme ich dich ein paar Wochen als Untermieter auf. Sagen wir, zu Versuchszwecken. Heinz wird toben, aber am Ende siegen der Sozialismus und die Macht der Tatsachen. Eigentlich ist das ja dasselbe.«

16
    Er hörte Felix schreien, als er vor ihrer Tür stand. Sie öffnete und sah erschöpft aus. »Komm rein, er gibt gerade eine Aufführung.« Sie führte ihn ins Wohnzimmer, aus der Küche roch es nach Knoblauch und Basilikum. Felix lag in einem Korb und schrie. Stachelmann schaute Felix ins Gesicht, der ließ sich nicht beeindrucken und schrie weiter.
    »Zuerst er, dann wir. Wenn er getrunken hat, wird er schlafen.« Sie hob ihn aus dem Korb, zog ihren Pulli hoch und gab ihm die Brust. Felix hörte auf zu schreien und nuckelte. Als er satt war, legte sie ihn ins Körbchen und spielte mit ihm. Er griff nach ihren Fingern, plötzlich schlief er ein. Anne ging auf Stachelmann zu und nahm ihn in den Arm. »Endlich habe ich Zeit, dich zu begrüßen.« Sie küsste ihn auf den Mund. »Komm mit in die Küche.« Sie schaute in den Ofen. »Noch zehn Minuten«, sagte sie. »Ich

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