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Mit Blut signiert - Ein Caravaggio-Roman

Mit Blut signiert - Ein Caravaggio-Roman

Titel: Mit Blut signiert - Ein Caravaggio-Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matt Beynon Rees
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Dämmerungssplitter schimmerten durch die Staubpartikel. Er rieb sich durchs Gesicht, stand auf, griff sich an den Kopf und japste.
    Onorio klopfte ihm sanft auf die Wange. «War ein netter Abend, nicht wahr,
Cazzo

    Der Bettvorhang war nur halb zugezogen. Auf Fillides bleicher Brust verlief ein bläulicher Kratzer, der zweifellos von den nächtlichen Aufmerksamkeiten ihres Bettgenossen herrührte. Ranuccio schnarchte hinter ihr. Prospero stand von der Ottomane auf, kratzte sich am Kopf und zerdrückte die Laus auf seiner Strumpfhose.
    «Kommt schon!» Onorio mahnte zur Eile. «Wir müssen los!»
    Die frühe Morgenluft war sauber und noch frei vom Gestank, der in der Tageshitze vom schmutzübersäten Boden aufsteigen würde. Prospero warf einer alten Frau einen Kussmund zu, die einen Korb mit Feigen zum Markt auf dem Campo dei Fiori schleppte. «Wer kann in Rom schon unglücklich sein?» Dem kleinen Mann fehlten von Wirtshausschlägereien ein paarZähne. Die verbliebenen Stümpfe schimmerten durch seinen rotblonden Bart. «Tja, bei Langschläfern beißen die Fische nicht an. Ich bin dann mal weg,
Ragazzi
!» Er schlurfte in Richtung Corso davon.
    Onorio hob eine Feige auf, die der alten Frau aus dem Korb gefallen war, und wischte sie an seinem Wams sauber. Er kaute und legte Caravaggio den Arm um die Schulter. «Du hast ihn nicht ausgezahlt.»
    Caravaggio nahm den Rest der Feige und aß ihn. «Nachdem ich Wein getrunken habe, ist es mir entfallen. Was soll’s? Vielleicht hat er es auch vergessen.»
    «Michele, das sieht dir gar nicht ähnlich. Manchmal lässt du dich von deiner Wut überwältigen. Dafür würde ich weiß Gott niemanden kreuzigen. Aber tu nicht so, als würdest du es auf einen Kampf mit diesem Schläger ankommen lassen.»
    Caravaggio lächelte zurückhaltend. «Wenn ich ausgerechnet von dir Ratschläge beherzigen wollte, wie ich mich verhalten soll,
Cumpà
, dann geriete ich völlig aus dem Tritt.»
    «Bleib zu Hause und arbeite.» Onorio schob Caravaggio eine Hand unter den Arm. «Brauchst du Geld? Ich kann dir die zehn Scudi für Ranuccio leihen. Damit du ihn vom Hals bekommst.»
    «Ich bin nicht klamm.» Caravaggio zog eine Lederbörse aus seinem Wams und schüttelte sie. «Gut gefüllt.»
    «Dann zahl doch das Arschloch aus, im Namen der Heiligen Jungfrau!»
    Caravaggios Lippen wurden schmal, als spürte er einen vertrauten Schmerz. Er packte Onorio am Unterarm und grinste breit. «Du hast recht. Ich suche ihn heute Nachmittag auf dem Tennisplatz und gebe ihm das Geld.»
    «Dann treffen wir uns dort.» Onorio drohte ihm mit dem Finger und schüttelte erleichtert den Kopf. «Du weißt ja, dass ich mich nicht gedrückt und dich allein gegen die Tomassonis hätte kämpfen lassen,
Bello

    «Das weiß ich.»
    «Ich gehe zu Santa Maria della Consolazione. Es kommt jemand, um Teile des Mauerwerks zu erneuern. Es ist besser, wenn ich dabei bin und die Arbeit beaufsichtige; sonst werfen sie noch den Marmor den Hügel hinunter, als handele es sich um die Verbrecher, die man dort früher vom Tarpejischen Felsen gestoßen hat. Komm vorbei und sieh dir die Arbeit an.»
    «Nein, ich hab mir ein Modell einbestellt.
Ciao, Cazzo

    Caravaggios Mund war trocken, und sein hungriger Magen knurrte. Unterhalb der Trinità dei Monti kehrte er in der Taverna del Turco ein. Er trank einen Becher Dünnbier und kaufte ein Stück dunkles Brot und eine halbe Zwiebel. Er trat auf die Piazza am Fuß des Hügels unterhalb der Trinitá hinaus und rieb die aufgeschnittene Seite der Zwiebel über das Brot, um ihm Aroma zu verleihen. Hungrig kauend ging er die Via del Babuino hinauf.
    Um ihn herum erwachte Rom. Ein stämmiger alter Zimmermann, der ihm als heiliger Petrus Modell gestanden hatte, überquerte die Straße auf dem Weg zu seiner Werkstatt in der Via Margutta. Er setzte seine Werkzeugkiste auf dem Oberschenkel ab und winkte Caravaggio zu. «Michele, was malst du derzeit?»
    «
Salve
, Robbè. Ich male eine Magdalena mit ihrer Schwester Martha.»
    «Und du brauchst nicht zufällig noch einmal einen alten Glatzkopf mit weißem Bart und starker Brust als Modell?»
    Caravaggio deutete über die Piazza zu Santa Maria del Popolo, in der seine
Kreuzigung Petri
hing. «Jeder weiß, dass ich dich schon einmal gekreuzigt habe.»
    Sein Appetit war befriedigt, und er wollte nach Hause, um vor Prudenzas Ankunft die Farbpigmente vorzubereiten. Auf der rechten Seite der Leinwand hatte er Fillide als Magdalena im Augenblick ihrer

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