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Mit Blut signiert - Ein Caravaggio-Roman

Mit Blut signiert - Ein Caravaggio-Roman

Titel: Mit Blut signiert - Ein Caravaggio-Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matt Beynon Rees
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seid, der einen Pudel zum Tanzen bringen kann, wie Ihr auch den Herrn Jesus Christus leibhaftig vor Euch auf der Leinwand erscheinen lassen könnt.»
    «Du bringst mich noch auf den Scheiterhaufen. Hol uns etwas zum Mittagessen.»
    Cecco ging die Treppe hinunter, um Brot und Käse zu besorgen.
    Caravaggio mischte auf seiner Palette Ocker, Weiß und ein wenig Blutrot zur Farbe von Prudenzas Teint. Er tunkte die Borsten eines mittleren Pinsels hinein und warf die Rundungen ihres Ohrs auf die Leinwand.
    Obwohl sie den Kopf nicht bewegte, nahmen die Augen des Mädchens doch den Raum jenseits der unmittelbaren Reichweite der Lampe wahr. «Du hast hier aber nicht viel Zeug stehen, nicht wahr, Michele?»
    «Ich hab dir doch gesagt, dass du geradeaus schauen sollst, als stünde Magdalena direkt vor dir. Du redest mit ihr, nicht mit mir.»
    Sie hat aber recht
. Weniger berühmte Maler in Caravaggios Alter leisteten sich von den Honoraren für ihre Altarbilder kleine Palazzi. In einem Haus wie dem, das Caravaggio erst vor einem Monat gemietet hatte, mochte wohl sonst ein Ladenbesitzer wohnen. Unten ein einzelner, länglicher Raum und darüber ein zweiter. Hinter dem Haus ein Garten mit eigenem Brunnen und oben eine Loggia, die sich über die gesamte Breite des Hauses erstreckte, die allerdings kaum fünf Schritte betrug.
    Abgesehen von Requisiten für seine Arbeit, seinem Bett und einem Feldbett für Cecco war das Atelier fast vollständig leer. Lappen, mit denen Leinwände präpariert und Pinsel gesäubert wurden, quollen aus einer alten Truhe hervor. Eine Hellebarde und ein Brustharnisch, mit denen er auf seinen historischen Gemälden Atmosphäre erzeugte, lehnten neben seinem Degen und einem Dolch an der Wand. Auf einem Koffer lag eine schmuddelige mittelgroße Leinwand. Darauf aß er seine Mahlzeiten, weil er nie auf die Idee gekommen wäre, ein Tischtuch zu kaufen.
    «Wer soll ich sein?», fragte sie.
    Er machte eine Pause, um die Leinwand zu begutachten. Auf der rechten Seite eine junge Frau mit weichen Zügen und runden Schultern – Fillide. Sie wandte ihr schlichtes Gesicht mitmelancholischem Blick der Gestalt zu, die Caravaggio jetzt malte. «Du bist Martha, die Schwester Maria Magdalenas.»
    «Ja?» Sie klang zweifelnd. «Wer?»
    «Diese Magdalena war eine lockere Frau. Ihre Schwester hielt ihr vor, was sie falsch machte. Fillide als Magdalena habe ich schon gemalt. Jetzt male ich den Moment, in dem deine Ermahnungen zu ihr durchdringen. Sie beginnt Reue zu zeigen.»
    «Ich könnte dir alle möglichen Dinge erzählen, die Fillide falsch gemacht hat. Ich wünschte, sie würde verstehen, wie ich so etwas sehe.»
    «Vielleicht will ich ja gerade deshalb, dass du sie bekehrst», sagte er. «Zumindest auf dem Bild.»
    Er zog die Staffelei dichter an den Spiegel, um den Blickwinkel zu ändern. Er wollte ein klares Bild der Einzelheiten im Haarkranz auf ihrem Kopf, an dem er gerade arbeitete. Dann legte er den Pinsel auf eine Karre neben die Farbpigmente.
    «Darf ich mal sehen?», fragte sie.
    «Komm her.» Er zog den Vorhang an der Schiene auf.
    Während sie die Leinwand betrachtete, lehnte sie sich an seine Brust. «
Dio mio
, das hätte ich nie für möglich gehalten. Das bin ich ja wirklich, Michele. Mir macht es nicht einmal etwas aus, dass du mich direkt neben diese Schlampe gemalt hast.»
    «Die Ähnlichkeit ist sehr stark, das ist wahr.»
    «So viele Schatten. Man sieht ja nur einen Teil meines Gesichts.»
    «Wenn es fertig ist, wird es vielleicht noch etwas dunkler.»
    «Das ist egal. Ich weiß ja, dass ich es bin. Du hast mich genau so gemalt, wie ich bin.» Sie lächelte. «Deine Augen sind dunkel, Michele, und dein Gesicht und deine Haare auch. Und so sind auch deine Gemälde.»
    «Zum Glück bin ich nicht blond, weil meine Arbeiten dann so hell und lächerlich wären wie der Müll, den Baglione produziert.»
    «Wer?»
    «Niemand, der wichtig wäre.»
    «Wirst du mich wirklich noch dunkler machen? Dann kann man mich gar nicht mehr erkennen. Man sieht dann nur noch Fillide.»
    «Die Schatten rücken dich mehr in den Vordergrund. Fillides Gesicht wird man zwar sofort sehen, aber um deines zu sehen, muss man schon genau hinschauen. Man wird sich fragen, wer du warst.» Er korrigierte sich: «
Bist
, meine ich, wer du bist.»
    Sie sah erstaunt aus, wunderte sich über sein Gestotter. Ihr Hals neigte sich lang und blass dem Gemälde entgegen, und ein paar rotbraune Haarsträhnen fielen darüber.
    Er wünschte, über

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