Mit Blut signiert - Ein Caravaggio-Roman
lediglich beobachtet.»
Scipione strich sich mit dem Daumen über den Schnurrbart. «Die päpstlichen Gewänder stehen Euch ausgezeichnet, Signore.»
Prospero sprang auf. Er ging mit raschelnden Röcken auf Scipione zu, fiel auf die Knie und senkte den Kopf.
Scipione legte die Hand aufs päpstliche Barett und leckte sich die Lippen. Caravaggio begriff, dass es ihn amüsierte, den Papst vor sich knien zu sehen.
Der Kardinalnepot deutete auf eine Ottomane. Caravaggio schob sie über die Bodenfliesen an die Stelle, auf die Scipione zeigte.
«Fahrt fort.» Scipione streckte sich auf dem langen Sessel aus.
Caravaggio spürte das Wesen der Macht im Raum. Auch Prospero reagierte darauf. Auf seinem Gesicht lag eine stille Spannung.
«Ich komme aus dem Palazzo Colonna», sagte Scipione. «In dem Haus seid Ihr sehr beliebt.»
«Die Marchesa von Caravaggio entstammt der Familie Colonna, Eure Durchlaucht. Mein Großvater stand in ihren Diensten. Als ich aufwuchs, war sie mir gegenüber höchst großherzig. Ich stehe stets in ihrer Schuld.»
«Sie hält sich jetzt in Rom auf.»
«Tatsächlich, Sire?» Caravaggio spürte einen kalten Hauchauf seiner Wange. Die Erwähnung der Marchesa beschwor so viele Erinnerungen herauf. Doch musste er seine Gefühle kalt halten, damit sie sich nicht in seine Malerei mischten. Er atmete tief durch und arbeitete weiter. Die Pinselborsten strichen rhythmisch über die Leinwand. Er arbeitete an den roten Glanzpunkten des Umhangs, der über die Brust des Papstes fiel.
«Als ich hereinkam, standet Ihr hinter dem Vorhang, Maestro. Jetzt habt Ihr ihn aufgezogen.» Scipiones Stimme klang entspannt und vertrauensvoll.
«Bei vielen Einzelheiten vertraue ich lieber meinen eigenen Augen, Eure Durchlaucht.»
«Ist der Vorhang eine Camera obscura?»
«Ich benutze einen Vorhang und einen konkaven Spiegel und manchmal eine Linse, die in den Vorhangspalt eingehängt wird. Sonst nichts, Eure Durchlaucht. Manche nennen das eine Camera obscura. Andere bezeichnen es als Dinge, die sich im Schlafzimmer einer jeden Dame finden.»
«Man überschätzt es also?»
«Eine Sehhilfe, sonst nichts.» Wieder erfüllte das Pinselgeräusch das Schweigen.
«In der Galerie dieses Palazzos», sagte Scipione, «kann man alle vorherigen Päpste bewundern, gemalt wie Götter. Sie verfügten vielleicht auch über die Macht von Göttern, aber sie waren nicht unsterblich. Wir sollten dazu in der Lage sein, aus ihren Gesichtern abzulesen, was für ein Leben sie geführt haben. Künstler verwandeln den Papst jedoch immer in einen Heiligen. Manche waren vielleicht auch welche, andere aber ganz gewiss nicht.»
Scipione schloss die Augen und erbebte, als er das Wort «Heiligen» aussprach.
Als flüsterte er einer Geliebten eine Rolle zu
, dachte Caravaggio,
die er gern spielen würde, um sich zu erregen.
Er tunkte den Pinsel in rosiges Weiß, um die Glanzpunkte des Umhangs zu setzen. Prospero zwinkerte ihm zu.
«Es ist nur recht und billig, dass das Porträt meines Onkels ein anderes Bild des Papstes vermitteln soll.» Scipione spreizte die Finger und blickte auf seine Fingernägel. «Wir Borgheses sind nicht wie die alten römischen Familien, die normalerweise den Petersthron besteigen. Seht Euch die Colonnas an. Ihre Linie, sagen sie, stammt von Julius Cäsar ab, und das bedeutet, dass sie, wie bereits Cäsar, behaupten, direkt von der Göttin Venus abzustammen. Mein Onkel, der Heilige Vater, ist der Sohn eines Buchhalters aus Siena. Macht ihn das etwa zu einer weniger würdigen Wahl, die Heiligkeit seines Amtes auszufüllen?»
«Der Himmel verhüte es.»
«Oder seine Macht?» Scipione sprach leiser. Er stand auf und ging zur Tür. Als er sich wieder umdrehte, stand er im Schatten. «Maestro Raffael hätte nur das Gesicht gemalt und einen seiner Gehilfen dann die Gewänder ausführen lassen.»
«So ist es, Eure Durchlaucht.»
«Raffael wird wie ein Gott behandelt – unfehlbar, perfekt.»
«So ist es.»
«Aber Ihr seid kein Gott. Ihr seid ein Maler. Also führt Ihr all Eure Arbeit selbst aus.»
«Ein Stück Stoff oder eine Fruchtschale bedürfen der gleichen Fertigkeiten wie ein Gesicht, hochwürdigster Herr.»
«Versteht Ihr, warum ich Euch ausgewählt habe, um den Sohn des Buchhalters aus Siena zu malen?» Der Kardinalnepot wartete die Antwort nicht ab. Umrissen vom Licht aus dem Korridor zog er sich aus der Kammer zurück.
Die Tür fiel zu. Caravaggio warf die Palette auf den Farbkarren. Aus Scipiones Mund zu
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