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Mit Blut signiert - Ein Caravaggio-Roman

Mit Blut signiert - Ein Caravaggio-Roman

Titel: Mit Blut signiert - Ein Caravaggio-Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matt Beynon Rees
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die Worte verfügen zu können, die sie länger würden überleben lassen, als er vermutete.
Ich könnte sie beschützen
, dachte er,
aber dann würde ich mich in sie verlieben
. Er zitterte vor Angst. Liebe war die Vorstufe zur Einsamkeit. Er malte die Liebe der Märtyrer für den Herrn.
Seht, was sie dafür bekommen.
«Es ist klar, dass du das Schönste auf dem ganzen Bild bist.»
    Die Eindringlichkeit, mit der er das sagte, wurde ihr gar nicht bewusst, und so antwortete sie leichthin: «Stimmt das, Michele? Danke,
Amore

    ∗
    Am Mausoleum des Kaisers Augustus verprügelten Büttel des Papstes eine Hure. Sie war mit gefesselten Händen auf dem Rücken eines Esels festgebunden, ihr Kleid war zerrissen, fiel um ihre Hüften und entblößte den Oberkörper. Eine Menschenmenge umringte sie und bejubelte die Demütigung der Frau. Lena trat in einen Torweg, um sie vorbeizulassen. Weil sie im Ortaccio aufgewachsen war, hatte sie häufig solche Strafmaßnahmen gesehen. Vertrautheit machte sie aber nicht wenigerbedrückend. Es war, als triebe eine Wolke des Hasses an ihr vorbei, lärmend und voller Niedertracht.
    Die Hure sank nach vorn, als einer der Büttel ihr noch einen Stockschlag auf die Schulter versetzte. Lena zuckte zusammen. Der Esel machte einen Sprung in die Menschenmenge.
Jemand muss ihn mit einem Messer gestochen haben, damit er durchgeht
, dachte sie. Die Hure krümmte schwankend, erschöpft, schweigend und mit leerem Blick den Rücken. Ihre Brüste waren beschmutzt mit Mist und Müll, den der Mob nach ihr warf.
    Die Männer, die da neben dem Esel tanzten, waren die gleichen, die Lena belästigt hatten, als sie an der Piazza Navona ihr Gemüse verkauft hatte. Ohne schändlich beschimpft zu werden, konnte sich eine Frau nicht allein auf die Straßen im Garten des Bösen wagen. Lena wusste, wie sie darauf antworten musste, wie man diese Kerle vor anderen so demütigte, dass sie das Weite suchten. Selbst in solchen kleinen Begegnungen begriff sie, dass das Leben der Männer von der Ehre bestimmt wurde, von der Figur, die sie vor anderen machten, von ihrer Überlegenheit gegenüber Frauen.
    Der Esel wurde noch einmal gestochen und galoppierte mit der schwankenden Hure von der Piazza. Die Menge folgte ihnen zu den Wassermühlen am Tiber.
    Lena ging durch den Ortaccio zum Haus ihrer Mutter. Die meisten Huren waren, anders als sie, Mädchen von weit her. Sie kamen aus Siena, wo ein Jahrhundert zuvor eine Seuche die Stadt heimgesucht hatte und die jungen Leute bis heute dazu zwang, anderswo Arbeit zu suchen. Andere stammten aus den armen südlichen Regionen Italiens oder aus Griechenland. Sie waren mit der Vorstellung aufgewachsen, Rom sei der Ort, der einem die Möglichkeit gibt, ein besseres und bequemeres Leben führen zu können. Lena hatte schon immer gewusst, dass dem nicht so war. Als Mädchen hatte sie auf den Straßen gespielt, in denen die Huren arbeiteten, und hatte gesehen, wie sie geschlagenund verachtet wurden. Sie hatte gesehen, wie ihre Leichen zum Müll der Stadt unter die Brücken geworfen wurden. Bevor sie selbst alt genug war, um zu verstehen, was sie trieben, hörte sie bereits in ihrem rauen Lachen Verzweiflung und Angst.
    Sie war dreiundzwanzig, und hätte sie in einem anderen Teil Roms gewohnt, wäre sie längst verheiratet gewesen. Aber der Ortaccio zerstörte die Ordnung des Lebens. Der Sohn einer reichen Familie hatte sie verführt, bevor sie zwanzig war. Er empfand ihr gegenüber keine Ehrenverpflichtung, weil sie aus dem Ortaccio stammte. Für diejenigen, die nicht im Garten des Bösen wohnten, beherbergte das raueste Viertel Roms nichts als Huren und Kriminelle. Es war ein Platz für gefährliche Spiele, aber keiner zum Heiraten. Später hatte Lena versucht, ihre Schwester davor zu warnen, aber auch Amabilia wurde von einem feinen Herrn verführt und starb im Wochenbett. Der Tod war der einzige Ritus des natürlichen Lebens, der den Leuten aus dem Ortaccio nicht verwehrt blieb.
    Nach Amabilias Tod hatte Lena das Baby ihrer Schwester als ihr eigenes angenommen. In all dem Hass und der Traurigkeit und dem Tod, die sie umgaben, war Domenico der einzige Lichtblick. Seufzend wartete sie auf eine Lücke im Kutschenverkehr, um den Corso überqueren zu können. Sie hatte das Gefühl, vor der Welt zurückzuweichen. Der Druck unbarmherziger Hässlichkeit schwächte sie. Manchmal kamen ihr in merkwürdiger Schwermut die Tränen, wenn sie in del Montes Palazzo die Fußböden putzte. Wenn

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