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Mit Blut signiert - Ein Caravaggio-Roman

Mit Blut signiert - Ein Caravaggio-Roman

Titel: Mit Blut signiert - Ein Caravaggio-Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matt Beynon Rees
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seufzte, als wäre ihre Unfähigkeit, die Bedeutung dessen zu erfassen, was er ihr sagte, das Äußerste, was von einer Frau zu erwarten war.
    «Dein Maler wird in unmittelbarer Nähe zum Heiligen Vater selbst sein», zischelte er, «und auch zum Kardinalnepoten.»
    «Ja.» Sie schüttelte den Kopf. «Ja?»
    «Das begreifst du doch bestimmt? Dein Maler kann Dinge ansprechen, um die zu bitten unter unserer Würde ist. Er kann den Heiligen Vater bitten, die Farneses mit Gold und Ländereien statt mit einem Leben zu entschädigen. Er kann um Gnade bitten – für Fabrizio.»
    Costanza atmete tief durch. Michele könnte dabei helfen, Fabrizio aus dem Gefängnis zu holen.
Er wird es bestimmt tun
, dachte sie.
Auch wenn sie so viele Jahre voneinander getrennt waren, wird Michele nicht vergessen, welches Band ihre gemeinsame Kindheit geschmiedet hat.
    Ihre älteren Söhne hatten sich um die Gunst ihres Vaters bemüht, während er als Würdenträger in Mailand beschäftigt war. Wie sie selbst allein gelassen im ruhigen, provinziellen Leben Caravaggios, hatten Fabrizio und Michele eine verschworeneZweisamkeit entwickelt, ihr aber erlaubt, an ihren Spielen teilzuhaben. Jeden Morgen kamen sie in ihr Schlafgemach, kletterten durch die Vorhänge ihres Betts und prusteten ihr in den Nacken, um sie zu wecken. Sie hatte begeistert mitgespielt, als wollte sie die Kindheit nachholen, um die sie ihr Vater durch seinen Heiratsbefehl gebracht hatte. Der Frieden, den sie mit den beiden empfunden hatte, war nur durch ihre anderen Söhne gestört worden. Sie zogen Michele auf, bezeichneten ihn als Waisenkind, was er nicht war, und von niedriger Geburt, was ihn, weil es stimmte, dazu provozierte, sich mit ihnen zu prügeln.
    «Kümmere dich darum, Costanza», sagte Ascanio. «Unsere Familie kann sich keinen Ärger mit den Farneses leisten.»
    «Natürlich.»
    «Die Farneses werden Vergeltung für das fordern, was Fabrizio einem von ihnen angetan hat.»
    Costanza schmeckte Bitterkeit auf ihrer Zunge. Sie ertrug es nicht, den Taten ihres Sohnes ins Auge zu sehen.
Es ist einfach unmöglich, dass er …
    «Wenn du deinen Maler nicht dazu bringen kannst, Fabrizios Freilassung zu erwirken», sagte Ascanio, «können wir ihm nicht mehr helfen. Das würde sonst einen Krieg mit den Farneses bedeuten, einen römischen Bürgerkrieg. Wir brauchen den Heiligen Vater, um die Farneses zur Vernunft zu bringen.»
    «Ich verstehe.»
    «Wirklich? Wenn nämlich dein Maler nicht helfen kann, dann müssen wir ihnen Fabrizio überlassen.»
    Einer der Ringer warf seinen Gegner auf den Ringboden. Das Geräusch, das sein massiger Körper beim Aufprall auf die Matte verursachte, ließ Costanza vor Schreck aufschreien. Sie sah, wie der niedergeworfene Mann sich wehrte.
    ∗
    Caravaggio kam den Hügel vom Papstpalast herunter und drängte sich auf der Piazza dei Santi Apostoli durch die Menge nach vorn. An einer Bude kaufte Prospero Wein und nahm einen tiefen Zug. Er wischte sich den Bart am Ärmel ab, zerrte den schmalen Gürtel höher, der sein Wams über dem schweren Bauch zusammenhielt, und reichte die Flasche an Caravaggio weiter.
    Der Ring befand sich vor dem Palazzo Colonna auf einer Plattform in Kopfhöhe. Um den Kampf zu beobachten, reckte Caravaggio den Hals und erblickte
sie
auf dem Balkon des Palazzos neben den Familiengranden. Costanza Colonna nickte ihm zu. Irgendein Kummer ließ ihre Miene gefrieren. Er verneigte sich. Als er wieder aufblickte, sahen ihre Augen anderswohin, aber er spürte, dass sie an ihn dachte. Nicht an seine Arbeit oder das Leben, das er jetzt führte.
Sie wird wohl an die alten Zeiten denken
, dachte er.
Als ich noch ein Junge war
. Seine unglückliche Mutter war zusammengebrochen, nachdem sein Vater an der Pest gestorben war. Costanza hatte das älteste Kind der armen Frau aus Liebe zu seinem Großvater, der ihr als Feldmesser gedient hatte, in ihrem Haus aufgenommen. Michele war zusammen mit Fabrizio aufgewachsen, und gemeinsam waren sie durch die Flure des Palastes in Caravaggio getollt.
Bis sie mich weggeschickt hat.
    Die Menge stieß ein Stöhnen und einen Jubelschrei aus. Er schaute wieder zum Ring. Ein Kämpfer hatte seinen Gegner auf die Matte geworfen und rang nun mit dem sich unter ihm windenden Mann. Die beiden Ringer waren muskelbepackte, breitschultrige Bauern, geschaffen zum Arbeiten und Kämpfen. Der unterlegene Mann hämmerte mit der Hand auf den Boden. Ein Herold im roten Wappenrock mit der goldenen Säule des

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