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Mit Blut signiert - Ein Caravaggio-Roman

Mit Blut signiert - Ein Caravaggio-Roman

Titel: Mit Blut signiert - Ein Caravaggio-Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matt Beynon Rees
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hören, warum er ihn favorisiert hatte, war aufregend.
Aber ich habe noch nie ein Kompliment bekommen, das mich derart mies behandelt hätte
, dachte er.
Ich zittere wie ein Mädchen, das weiß, dass Schmeicheleien über ihre Figur das Vorspiel zur Vergewaltigung sind.
    «Legt ab, Eure Heiligkeit», sagte er zu Prospero. «Ich kann nicht mehr arbeiten.»
    Prospero nahm das rote Barett und das um seinen Hals hängende Kruzifix ab. Er deutete zur Tür, durch die Scipione verschwunden war. «Prinzen machen mir immer Angst. Aber der da hat noch etwas viel Schrecklicheres an sich.»
    «Weil er dir gesagt hat, dass er kein Heiliger ist, und du genau weißt, wie sich Leute verhalten, wenn sie das Heilige in sich selbst vergessen.»
    «Ganz recht. Vor allem steht heute Abend Ringen auf dem Programm. Da werden wir keine Heiligen treffen, aber Spaß haben. Mir ist nach einem guten Kampf.»
    «Wo?»
    «Auf der Piazza vor dem Palazzo Colonna.»
    Colonna. Caravaggio erschauerte wie unter der Berührung durch einen vergessenen Traum. Er griff nach dem päpstlichen Kruzifix und küsste es. «Also los. Heute Abend setze ich garantiert auf den Sieger.»
    ∗
    Costanza Colonna zupfte am roten Spitzenaufschlag ihres schwarzen Kleids und biss sich auf die Lippen. Als sie den Empfangssaal betrat, war ihr Körper steif, und ihr Atem ging schnell. Immer wenn sie nach Rom zurückkehrte, um in dem Palast, in dem sie aufgewachsen war, ihre Verwandten zu besuchen, empfand sie diese Beklemmung. Sie waren Abkömmlinge des Aeneas, des Trojaners, der diese ewige Stadt gegründet hatte, und sie schienen mit ihren juwelenbesetzten Pokalen und Marderpelzen immer noch im Zentrum ihrer Macht zu stehen. In Mailand, Florenz oder Neapel war sie eine angesehene, fünfundfünfzigjährige Frau, Witwe eines Sforza, Erbin großer Besitztümer, Mutter von sechs stattlichen Söhnen, Marchesa derStadt Caravaggio. Aber unter den kalten Blicken dieser herrischen Colonnas wurde sie wieder zu der Dreizehnjährigen, die durch die Korridore irrte, weil ihr Vater sie mit einem mürrischen Jungen in einer fernen, nebligen Provinz verheiratete.
    Ihr Bruder, Kardinal Ascanio, klatschte in die Hände, und die Colonnas begaben sich auf den Balkon. Er winkte Costanza zu, ihm zu folgen. Sie nahm seinen Arm und ging mit ihm hoch hinaus über die Piazza dei Santi Apostoli.
    Der Platz war voller Menschen, die wegen der Ringkämpfe gekommen waren. In der frühen Dunkelheit loderten die Fackeln über der bewegten Menge, wie Laternen eines vor Anker liegenden Schiffes die steigende Flut beleuchten. Costanza blickte auf die Köpfe unter ihr hinab.
Vielleicht kommt Michele
, dachte sie.
    Ascanios Finger lagen fest in ihrer Armbeuge. In ihm fand sie die gleiche Ruhe und Berechnung, die sie von ihrem Vater gekannt hatte. Ein krampfartiger Abscheu durchzuckte sie, als wäre dies der Mann, der ihre Ehe arrangiert hatte, ohne sie zu fragen, und zugleich empfand sie Liebe und Verlustgefühle für den großen Prinzen, der nun schon seit fast dreißig Jahren tot war. Sie schmiegte sich dichter an ihren Bruder.
    «Dein Maler hat einen neuen Auftrag», sagte Ascanio. «Er malt ein Porträt des Heiligen Vaters.»
    Die Menge feierte die Ankunft der Kämpfer. Die Männer reckten die Arme. Eingeölte Muskeln glänzten im Laternenschein.
    «Sein Auftrag könnte für uns wichtig sein.» Ascanio verzog verächtlich die Lippen. «Zum Nutzen Fabrizios.»
    «Fabrizio.» Costanza flüsterte den Namen ihres jüngsten Sohns, obwohl es ihr so vorkam, als schriee sie ihn heraus; so groß war die Spannung, die der Name jetzt in ihr wachrief. Sobald er einen Erben hatte, hatte ihr Mann nur noch wenig Interesse an seiner Familie gezeigt. Aber mit jeder Geburt und imVerlauf der Jahre waren für Costanza ihre Kinder immer wichtiger geworden. Bei der Geburt fast aller ihrer Kinder war sie noch ein Mädchen gewesen. Aber als Fabrizio zur Welt kam, hatte sie ihre kindlichen Trotzanfälle, ihr Heimweh und die Frustration über ihren rüpelhaften Mann überwunden. Obwohl sie damals erst neunzehn war, empfand sie sich selbst doch bereits als Frau. Fabrizios Geburt schreckte sie nicht mehr mit einem neuen Verantwortungsgefühl, wie das bei den anderen Geburten der Fall gewesen war. Endlich war sie kein Kind mehr, sondern war zur Mutter geworden. Und als Spielgefährten für Fabrizio hatte sie Michele Merisi in ihr Haus aufgenommen.
    Die Hand des Kardinals drückte schwerer auf ihren Arm. Sie blinzelte verwirrt. Er

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