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Mit Blut signiert - Ein Caravaggio-Roman

Mit Blut signiert - Ein Caravaggio-Roman

Titel: Mit Blut signiert - Ein Caravaggio-Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matt Beynon Rees
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die Höhe. Über seinen Unterarm lief Blut an den hervortretenden Venen entlang, als ob die Kampfeslust seinen Körper geöffnet und das Innere seiner mörderischen Statur nach außen gekehrt hätte. Der Herold kniete neben dem unterlegenen Colonna-Mann. Er hielt ihm mit der Hand den Mund zu. Sein Gesicht lief blassgrün an. Selbst die Fackeln brannten weniger hell, als seien sie vor Schreck erblasst. Der Sieger blickte zu den Colonnas auf dem Balkon hoch und brüllte durchs Geschrei der Menge: «Farnese, Farnese!»
    Die Gesichter der Aristokraten auf dem Balkon erstarrten vor Wut darüber, dass ein brutaler Stallknecht seinen Sieg bejubelte, der einem Feind galt, der so ewig war wie die Steine im kaiserlichen Forum gegenüber. Sie eilten in den Palazzo, und nur Costanza blieb allein zurück.
    Während sie darauf wartete, dass Caravaggio zu ihr hochschaute, trommelte sie mit den Fingerspitzen auf die Balustrade. Durch ein Kopfneigen zeigte sie ihm an, sich bei ihr im Palazzo einzufinden.
    Prospero stritt sich mit dem grün gekleideten Mann über die Rechtmäßigkeit des Siegs des Farnesers und weigerte sich, seine Wettschuld zu begleichen. Caravaggio legte dem Gewinner der Wette die Hände aufs Gesicht und drückte ihm mit den Fingerspitzen leicht auf die Augen. Sobald der Mann begriff, was eine Blendung bedeuten würde, vergaß er seine Wette. In Panik fiel er auf den Rücken und tastete im Gedränge der Menge nach einer Möglichkeit, wieder aufzustehen. Prospero klopfte Caravaggio auf den Arm und suchte das Weite.
    ∗
    Ein Stallknecht führte Caravaggio über den Hof des Palazzo Colonna in die Sommergemächer. Die Räume im Erdgeschoss gingen auf den Mandarinenhain im geheimen Garten hinaus. Ein Brunnen schoss blassblaue Fontänen aus Mondlicht durch die Obstbäume.
    Costanza betrat das Gemach. Caravaggio war, als nähme ein vertrautes Familienporträt Leben an. Sie trat aus seinen Erinnerungen hervor. Ihr Haar war immer noch so schwarz, dass es ihr Gesicht in eine Blässe weißer als weiß tauchte, die auf seiner Palette zu mischen Caravaggio für unmöglich hielt. Wenn er Perlen und Taubenfedern pulverisierte, könnte er dem Ton vielleicht nahekommen, doch schien das einem Hexenmeister eher möglich zu sein als einem Maler. Auch die nahezu faltenlose Beschaffenheit ihrer Haut war das Werk eines Zauberers. Als sie sich ihm über dem Terrakottaboden näherte, schimmerten ihre Augen im Licht der zweiarmigen Kandelaber rotbraun.
    «Michele.» Sie streckte ihm die Hände entgegen. Sie dufteten nach Jasmin, und er verweilte über ihnen, als er sie küsste. Er war an Frauen gewöhnt, deren Finger nach Schmutz und Arbeit rochen.
    «Meine gnädige Dame. Ich freue mich, Euch wieder in Rom zu sehen. Es ist schon lange her.»
    «Mein Besuch war nicht geplant.» Ihre Stimme klang beklommen. «Ich sehe, dass du seit meinem letzten Besuch hier nicht mehr Signor Merisi bist. Man nennt dich nun nach deiner Heimatstadt.»
    «Ich bin jetzt als Caravaggio bekannt, das ist wahr. Obwohl dieser Titel natürlich Euch gehört.»
    «Als Marchesa von Caravaggio gereicht es mir zur Ehre, dass durch deine Kunst der Name meiner Stadt in Rom in aller Munde ist.»
    Das würdest du vielleicht nicht so sehen, wenn du gehört hättest, was über mich geredet wird
, dachte er. «Gedeihen Eure Güter?»
    «Durchaus. Und deine Schwester Caterina hat noch ein Kind bekommen, ein Mädchen. Es heißt Lucia, nach deiner Mutter, Gott hab sie selig.»
    «Ihr wart eher wie eine Mutter zu mir.»
    Sie räusperte sich wie jemand, der den Fauxpas eines anderen zu decken versucht. Ihr Atem ging stoßweise, und die Flammen auf den Kandelabern flackerten, als entzöge ihre Unschlüssigkeit dem Raum die Atemluft. «Als du ein Kind warst, warst du wie mein Kind. Jetzt bist du ein Mann, und ich liebe dich noch immer.»
    Er drückte ihr die Hand und rieb mit dem Daumen über ihre Fingerknöchel. «Immer wenn mir Rom – ach, ich weiß nicht – zu wild wird, denke ich an Eure Großzügigkeit.»
    Sie senkte den Blick. «Ich brauche deine Hilfe.» Die Kerzen schimmerten auf der Gaze, die ihren Busen bedeckte.
    «Zu Ihren Diensten, gnädigste Dame.»
    «Fabrizio ist in Schwierigkeiten, Michele.»
    Caravaggios Anspannung schien ihm in die Kehle zu steigen und nahm ihm die Luft. Er sagte krächzend: «Ist er in Rom?»
    «Ja.»
    «Was ist passiert?»
    «Ein Kampf.»
    «Habt Ihr denn keine Leute, die sich um dergleichen kümmern? Eine Börse für den Verletzten. Schmiergeld

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