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Mit Blut signiert - Ein Caravaggio-Roman

Mit Blut signiert - Ein Caravaggio-Roman

Titel: Mit Blut signiert - Ein Caravaggio-Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matt Beynon Rees
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so umging. Warum sollte nicht irgendjemand beschließen, dass es zu zerstören sei?
    Sein Werk hatte dieses Mädchen nicht unsterblich gemacht. Leinwand widerstand der Gewalt auch nicht besser als Fleisch. Sie verrottete nur langsamer, und man maß ihr höheren Wert zu, aber sie war so zerbrechlich wie Haut und Knochen. Er fand ihre Hand und hielt sie fest. Bald spürte er die warme Entspanntheit des Schlafs in ihren Fingern, und er zitterte an ihrer Stelle.
    ∗
    «Was für ein beschissener, mieser Mischmasch.» Caravaggio ging in der Seitenkapelle auf das Gemälde zu. Acht Meter hoch, fünf Meter breit,
Die Auferstehung
. Im oberen Mittelteil der Leinwandhielt ein biegsamer Christus in weibischer Pose eine Fahne hoch. Ihn umgebende Engel zupften lahm auf Lauten und bliesen auf Flöten. Zierliche Putten lagerten unter den Engelsärschen wie auf Kissen im Boudoir einer Kurtisane.
    Prospero folgte Caravaggio durchs österliche Volk in der Chiesa il Gesù. «Ich versuche, von den Jesuiten, die diese Kirche leiten, einen Auftrag zu bekommen», sagte er. «Wir lassen nur noch schnell unsere Kommunionskarten abstempeln und dann nichts wie weg. Mach bloß keinen Ärger.»
    «Sieh dir diese albernen Arschkriecher an. Sollen wohl die Verdammten sein.» Caravaggios Stimme war laut genug, um die Aufmerksamkeit der Gläubigen zu erregen, die auf die Eucharistie warteten. Er hörte Prosperos Warnung, aber die Unfähigkeit und der Pomp dieses Gemäldes reizten ihn.
    In den unteren Regionen des Gemäldes ruhten die Sünder, ihre Gesichter von Christus abgewandt. Sie wurden von einem Schwertträger bewacht. «Er ist eine Karikatur des Mörders in deinem
Martyrium des heiligen Matthäus
», sagte Prospero. «Aber die ganze Aufgewühltheit
deines
Werks ist hier nur noch entrückt und banal.»
    «Die Verdammten sehen nicht gerade so aus, als litten sie Höllenqualen.» Caravaggio lachte. «Es sieht eher so aus, als hätte Christus ihnen gerade gesagt, dass ihm ihre Garderobe nicht gefällt.»
    Eine scharfe Stimme schnitt nasal und herrisch durchs Gemurmel der Gläubigen. «Eure Lästerung überrascht mich nicht, Merisi.»
    Giovanni Baglione hielt seinen Federhut an der Hüfte. Seine Brust wölbte sich unter einem teuer wattierten Wams mit eingestickten Seidenfäden. Kämpferisch und triumphierend reckte er das Kinn in die Höhe wie einer der Nackten auf seiner
Auferstehung
.
    Prospero stieß seinen Freund an. «Sei nett.»
    Caravaggio empfand einen Hauch Mitleid für den Mann.
Warum kann er nicht einfach malen? Warum diese Rivalität mit mir? Seine Malkunst ist gar nicht schlecht. Er könnte etwas aus sich machen. Aber den Ausdruck meiner Werke wird er nie erreichen.
«Baglione, wir wollen hier nichts vom Zaun brechen.»
    Baglione blickte nervös umher, als meinte er, sämtliche Gläubigen warteten auf seine Antwort. Seine schlanken Finger in weichen Handschuhen vom Leder ungeborener Kälber tasteten nach einem Rosenkranz aus Lapislazuli. «Wenn Ihr Eure Verleumdungen nicht unterlasst, bringe ich Euch vor die Inquisition.»
    Eine Menschenmenge sammelte sich um sie, und Caravaggio spürte einen Wutausbruch in seiner Brust, der mit jedem Atemzug wuchs. «Glaubt Ihr etwa, ich fürchte mich vor der Inquisition?»
    Prospero hob resigniert die Hände. «Jetzt geht’s los.»
    «Ich liebe die Kunst.» Caravaggio tippte gegen eine auf Bagliones Brust gestickte Seidenrosette. «Wenn das Beleidigungen auslöst, liegt es einzig daran, dass mir die Kunst mehr am Herzen liegt als Rücksichtnahme auf Eure Gefühle.»
    «Malt, wie Ihr wollt», sagte Baglione. «Aber ich sage, dass Ihr die Kunst zerstört. Eure Methode –»
    «Meine Methode ist gut genug, dass Ihr sie zu Haschee macht und in diesem plumpen Stück Scheiße kopiert, das hinter uns an der Wand hängt. Das ist das Schlechteste, was Ihr je gemalt habt. Ich habe noch nie jemanden etwas Gutes darüber sagen hören.»
    Caravaggio wurde so heftig, dass der Jesuit vorm Altar den Kopf von der Hostie hob. Es war nicht ungewöhnlich, dass es in den vollen Kirchenschiffen zu Streit kam, und der Priester straffte sich alarmiert. Caravaggio hielt den Mund, und die Messe wurde fortgesetzt.
    Baglione ging zur Tür. «Vielleicht hört die Inquisition gerneetwas über Euch und Cecco, Euren kleinen Arschknaben.» Er duckte sich zwischen die Gläubigen, die in die Kirche strömten. «Ihr hättet den Auftrag für diese
Auferstehung
selbst gern bekommen. Es ist klar, dass Ihr auf meinen Rang eifersüchtig

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