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Mit Blut signiert - Ein Caravaggio-Roman

Mit Blut signiert - Ein Caravaggio-Roman

Titel: Mit Blut signiert - Ein Caravaggio-Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matt Beynon Rees
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seid.»
    «Arschlöcher wie Euch esse ich zum Frühstück.» Caravaggio sprang die Stufen hinab, um Baglione einzuholen. In der Eile stieß er mit einem schweren Herrn zusammen. Ihm wurde schwindelig, und das Gewicht des fallenden Mannes drückte ihn auf die Stufen nieder, sodass seine Füße über seinem Kopf zu liegen kamen. Rücklings musste er zusehen, wie Baglione mit fliegendem Umhang über die Piazza hastete.
    Prospero griff Caravaggio unter die Arme und setzte ihn aufrecht. «Lass uns zurück in die Kirche gehen», sagte er. «Wir müssen die heilige Hostie in dich hineinstopfen, bevor dich der Teufel holt.»
    Caravaggio wischte sich ein Blutgerinnsel von der Augenbraue.
    ∗
    Auf der Piazza vor dem Papstpalast zogen die Büttel einen Verbrecher mit der
Strappado
in die Höhe. Die Hände auf dem Rücken gefesselt, wurde er an den Handgelenken hochgerissen, sodass seine Schultern ausgekugelt waren, bevor er in vier Metern Höhe schwebte. Er schrie, dass er des geringen Vergehens, das diese Strafe nach sich zog, unschuldig sei. Die Marktbesucher rotteten sich zusammen und verspotteten ihn. Am Fuß des Pfahls war ein anderer Gesetzesbrecher zusammengekrümmt in den Stock geschlossen. Zur Strafe dafür, dass er schlecht über die Regierung gesprochen hatte, wurde ihm mittels einer Klammer die Zunge aus dem Mund gezogen. Caravaggio überquerte den Platz zu den Palasttoren.
    Als Caravaggio eintrat, um an seinem Papstporträt zu arbeiten,stand Scipione Borghese am Fenster. Der Kardinal hielt den Zipfel des Vorhangs zwischen Daumen und Zeigefinger, als schöbe er Unterwäsche zurück, um das Geschlechtsteil seiner Geliebten anzuschauen. Er starrte zitternd vor Inbrunst auf den Mann, der sich auf dem
Strappado
krümmte. «Ihr habt schon viele Male vor Gericht gestanden, Maestro Caravaggio. Seid Ihr je –»
    «Für ein Geständnis gefoltert worden? Nein, Eure Durchlaucht.» Seine Stimme war lauter als beabsichtigt.
Immer noch nervös in Scipiones Gegenwart, nicht wahr, Michele
, sagte er zu sich selbst.
Oder erwartest du eine Folter?
    Scipione runzelte die Stirn, als bedauerte er, nun nicht davon zu hören, wie sich Folter anfühlte. «Ich sah Euch über die Piazza kommen. Ihr seid gar nicht stehen geblieben, um Euch die Bestrafung anzusehen.»
    «Von hier oben ist die Sicht besser.»
    Ein hässlicher Schatten verdunkelte Scipiones Blick. «Ihr blutet.» Er tippte auf die Stelle, an der sich Caravaggio bei seinem Sturz vor der Chiesa il Gesù die Braue aufgeschlagen hatte. Ein dunkelroter Blutfleck lief an seinem Finger entlang. «Könntet Ihr damit malen?»
    «Mit Blut? Als Pigment, meint Ihr?»
    Scipione wischte seinen Finger an Caravaggios Wams ab. «Ja.»
    «Es zersetzt sich und riecht übel, Eure Durchlaucht.»
    «Habt Ihr es versucht?»
    «Nein. Aber ich weiß, was mit Blut passiert.»
    «Darauf würde ich wetten.»
    Der Mann am
Strappado
brüllte, als man ihn abseilte. Die Menge auf der Piazza verlief sich, und die Büttel banden den Gefangenen los. Weil sie ausgekugelt waren, baumelten seine Arme in merkwürdigen Winkeln von den Schultern. Er fiel aufs Pflaster.
    Caravaggio sank auf ein Knie. Er stellte sich vor, dass Fabrizio so bestraft werden könnte wie draußen der Verbrecher. Er empfand verletzte Liebe wie einen Stich, als hielte er den gefolterten Körper seines Freunds in den Armen. Der Rock der roten Soutane des Kardinals bauschte sich vor ihm. «Ich erbitte eine Gunst von Euch, gnädiger Herr.»
    «Sprecht.» Scipiones Stimme klang derart gepresst und streng, als käme sie nicht aus seiner Kehle, sondern aus einem anderen Organ.
    «Meine geliebte Herrin, die Marchesa Costanza Colonna, hat einen Sohn.»
    «Mehrere Söhne.»
    «Ich spreche von Signor Fabrizio. Er wird wegen eines Vergehens festgehalten. Könnte Eure Durchlaucht ihm Pardon gewähren?» Der Maler hielt den Kopf gesenkt. Er hätte Scipione schmeicheln sollen, hätte reden sollen von seiner berühmten Fähigkeit, Gnade walten zu lassen, und von anderen Qualitäten, von denen Männer der Kirche gerne glaubten, durch sie über Gottes Gnaden zu verfügen. Aber er vermutete, dass Scipione sich verhöhnt fühlen würde, und er bezweifelte ohnehin, dass er solche Worte über die Zunge bekommen würde. Der Schmerz, der auf Fabrizio wartete, überwältigte ihn.
    «Für ein Verbrechen dieses Ausmaßes muss der Heilige Vater persönlich Pardon gewähren», sagte Scipione.
    Hitze stieg Caravaggio in die Kehle.
Ein Verbrechen dieses Ausmaßes.
Er

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