Mit Blut signiert - Ein Caravaggio-Roman
für den wachhabenden Offizier.» Noch während er redete, begriff er.
Das ist zu ernst für die üblichen Maßnahmen. Hier droht große Gefahr. Aber für wen?
«Es ist ein Farnese», flüsterte sie.
Fabrizio, was hast du getan?
Er überschlug seine Beziehungen zu Männern, die Costanzas Sohn helfen könnten. Ihre drängende Not übertrug sich auf ihn; er spürte sie in seinem Hals pulsieren.
Die beiden Ringer auf der Piazza hatten den Kampf zwischen diesen beiden großen Familien symbolisiert, mit ihren monumentalen Palästen auf beiden Seiten Roms und ihren Armeen aus Gefolgsleuten, jederzeit bereit, zu Keulen und Säbeln zu greifen und ihr Blut zu vergießen. Er dachte an Fabrizio und irgendeinen heißblütigen jungen Farnesefürsten. Die gleiche Gewalt, nur mit nobleren Waffen.
Und mit Konsequenzen auch für dich, Michele, wenn du hineingezogen wirst.
Er sah in Costanzas flehende Augen. Sie hatte ihm im Leben viel geholfen, aber da sie jetzt um seine Hilfe bat, konnten ihre Erwartungen die Stellung gefährden, die er sich so hart erarbeitet hatte. Er wusste, dass sie sein Zögern bemerkte und dass es sie schmerzte.
Es geht hier nicht um deine Wettschulden gegenüber Ranuccio. Dies ist eine Frau, der du mehr schuldest, als du je zurückzahlen könntest
. «Ich stehe zu Euren Diensten, Herrin. Jederzeit.»
Sie berührte mit den Fingern zögernd Caravaggios Schulter. Er wunderte sich, dass sie ihn in all diesen Jahren nie berührt, sondern ihm lediglich erlaubt hatte, ihre Handknöchel zu küssen. Er fuhr zusammen. Es war, als ob die seit Generationen herrschende Macht ihres Familienadels aus Prinzen und Generälenund sogar einem Papst von dieser kleinen Hand auf seinen Körper überging. Es war die Macht, die von einem Mann verlangen konnte, in den Tod zu gehen, und sie ließ ihn erstarren.
«Michele, du malst das Porträt des Papstes», sagte sie.
Sie warten jahrelang auf den richtigen Augenblick, diese Adligen, und dann sehen sie plötzlich ihre Chance
, dachte er.
Loyalität ist ein elegantes Wort für Erpressung
.
Ihre Hand lag still, doch die Berührung schien auf seinen Hals überzugreifen und ihm durch die Arme und den Rücken zu rieseln. Er bedauerte sein Zögern. Sie kam zu ihm, weil sie wusste, was Fabrizio ihm bedeutet hatte. Aber er konnte seine Verbitterung nicht unterdrücken.
Wenn du mich nicht fortgeschickt hättest, wäre es vielleicht nie passiert. Fabrizio wäre dann ein anderer Mensch geworden. Und ich auch
. «Welchen Ausdruck, wünscht Ihr, soll ich dem Porträt des Heiligen Vaters verleihen, Herrin?»
«Nachsichtigkeit.»
Er dachte an die schlauen, kleinen Augen auf der Leinwand, die er im Quirinalspalast stehen gelassen hatte. Gnade auf diesem Gesicht?
Das wäre nicht weniger ein Werk der Imagination als ein Deckenfresko mit dem Gott des Meeres und all seinen Nymphen.
«Ich kann es versuchen, Herrin. Ich kann es versuchen.»
∗
Mitten in der Nacht kam Prudenza. Sie kam die Treppe hinauf und kniff, um ihn zu wecken, Cecco in die Nase.
«Mach, dass du nach unten kommst, Bürschchen», flüsterte sie. «Ich brauche ein Versteck für heute Nacht.»
Cecco wickelte sich in seine Decke und stolperte grummelnd die Treppe hinab. Prudenza legte sich in Caravaggios Bett. Sie schob eine Hand unter seine Schlafmütze. Mit den Fingern fuhr sie ihm durchs Haar.
Im Dunkeln strich er mit der Hand über ihr Gesicht. Er mied die Wunde, die Fillide dem Mädchen neben ihrem Mund zugefügt hatte, aber sie zuckte zusammen, als er eine neue Prellung an ihrem Auge berührte. «Fillide hat mit einem Stein geworfen», sagte sie. «Ich kann nicht nach Hause. Es macht dir doch nichts aus, nicht wahr?»
Angesichts dieser unversöhnlichen Feindschaft war sie immer noch neckisch. Er hatte eine Vision, wie sie mit dem Müll der Straße tot in den Tiber geworfen wurde. Er schaute sich in seinem Atelier nach der Staffelei und dem unvollendeten Gemälde
Martha bekehrt Magdalena
um. Er glaubte zwar, dass sein Werk die Zeit überdauern würde, aber als er Prudenzas Gesicht berührte, wusste er, dass jedermann mit einem Dolch auf seine Leinwand losgehen konnte. Sobald die Farbe trocken wäre, würden Boten das Gemälde in den Palazzo der Dame Olimpia Aldobrandini bringen, und sie würde es in ihrer Galerie für das geschätzte Publikum ausstellen. Jedermann würde sich das Recht herausnehmen, es zu kritisieren, und die Freiheit, sich darüber zu mokieren. Er hatte gehört, dass man mit seinen anderen Arbeiten
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