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Mit Blut signiert - Ein Caravaggio-Roman

Mit Blut signiert - Ein Caravaggio-Roman

Titel: Mit Blut signiert - Ein Caravaggio-Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matt Beynon Rees
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hatte es unterlassen, Costanza zu fragen, was ihrem Sohn überhaupt vorgeworfen wurde.
Was hat sie von mir verlangt?
    «Wenn er lediglich einen Bauern umgebracht hätte oder vielleicht sogar einen Adeligen …»
    Das war es also. Er dachte an Fabrizios hübsches, keckes Gesicht. Caravaggio hatte Männer gekannt, die andere umgebracht hatten. Solange es nicht klar war, hatte er nie gewusst, wie er das Böse in ihrem Blick erkennen konnte. Aber im Gartendes Bösen funkelte auf den Gesichtern aller Männer der Schlächter.
    «… dann hätte man sicherlich etwas in die Wege leiten können. Aber er hat einen Farnese getötet, das Mitglied einer mächtigen Familie, deren Unterstützung der Heilige Vater ebenso bedarf wie der durch die Colonnas. Versteht Ihr die Politik? Diesen Mord können wir nicht einfach übersehen.»
    Es gab keinen Weg zurück. «Ich flehe Euch an, Eure Durchlaucht. Ich bin der Marchesa zu großem Dank und Loyalität verpflichtet, koste es, was es wolle.»
    «Wollt Ihr dann also», Scipione legte Caravaggio eine Hand auf die Schulter, «das Bild fertigstellen?»
    ∗
    Nachdem Caravaggio zu lallen begonnen hatte, konnte Onorio dem mürrischen Monolog seines Freundes kaum noch folgen. Etwas von einem Bruder – oder einem, der wie ein Bruder war – und der Familie Colonna und Kardinal Scipione. Onorio vermutete, dass es im Gefolge der Spannungen mit Baglione in der Chiesa il Gesú zu einer Beschwerde gekommen war. Das rechtfertigte jedoch kaum diese üble Laune. Über derlei würde sich Scipione nicht sonderlich aufregen. Sein Maler war schon in weitaus ernstere Streitigkeiten verwickelt gewesen.
    Als das Essen serviert wurde, deutete Onorio auf den Teller, den der Kellner ihnen vorgesetzt hatte. «Ist das Ziegenkäse, Pietro?»
    «Der ist von einer Kuh», sagte der Kellner.
    «Von welcher Kuh? Deiner Mutter?», knurrte Caravaggio.
    «Lass den armen kleinen Trottel in Frieden, Michele.» Onorio grinste, als der Kellner mürrisch zum Tresen lief. Andere gingen Caravaggio aus dem Weg, wenn er in dieser Stimmung war, aber Onorio genoss sie, weil er sich Caravaggio dann besondersnah fühlte. Gemeinsam kannten sie keine Angst und verstanden keinen Spaß. Eine Nacht mit Michele in den Tavernen und Bordellen gab ihm ein Kameradschaftsgefühl bis auf die Knochen; er stellte sich vor, dass sich Soldaten so fühlten, wenn sie Seite an Seite in der Schlacht kämpften.
    Caravaggio schnitt eine Scheibe Käse herunter und riss ein Stück Brot ab. «Mehr wie ein Bruder für mich, als mein eigener verdammter Bruder es je war …»
    «Ich wusste gar nicht, dass du noch Familie hast,
Cazzo
. Erinnerst du dich noch an meinen Bruder Decio? Wenn er nicht längst selig wäre, wäre er jetzt ans Ruder einer Galeere gekettet.»
    «Decios Problem», Caravaggio fuchtelte mit dem Finger Onorio vor der Nase herum, «ist auch deins.»
    «Ich hab genauso viel auf dem Kerbholz wie du, Michele.»
    «Ich bin verpestet.»
    «Das liegt dir im Blut.»
    «Fabrizio …» Caravaggio schüttelte den Kopf. «Blut? Deshalb tue ich diese Dinge nicht.»
    Weshalb dann?
, fragte sich Onorio.
Tut Rom uns dies an? Oder sind wir Männer, die wissen, dass sie so viel Talent haben, dass sie sogar von Leuten gebraucht werden, die ihr Verhalten verabscheuen?
    Die Tavernentür wurde aufgestoßen. Onorio zuckte zusammen und spähte ins schummrige Licht, um zu sehen, wer hereinkam. Mario Minniti kam zwischen den Tischen entlang. Er war außer Atem. «Fillide hat das arme Luder umgebracht.»
    Caravaggio hörte zu kauen auf. «Wen?»
    «Prudenza, das Mädchen ist tot.»
    Caravaggio lehnte den Kopf gegen die Wand und schloss die Augen. Onorio beobachtete ihn stirnrunzelnd. In der Reglosigkeit seines Freunds rumorte es so, wie er es einmal in Neapel erlebt hatte, als ein Erdbeben Häusermauern ins Wanken brachte.
    «Fillide hat sie mit Ranuccio im Bett erwischt», sagte Mario.«Bevor er sie aufhalten konnte, hat Prudenza auf sie eingestochen, und das Mädchen ist verblutet. Ranuccio hat die Leiche auf die Straße gelegt, damit Fillide nicht vor Gericht muss. Er wollte nicht gleich zwei seiner Huren am selben Tag verlieren.»
    Onorio brachte Mario mit erhobener Hand zum Schweigen. Gegenüber den Gefühlen anderer war der kleine Sizilianer stets rücksichtslos. Er beobachtete das Flackern der Kerzen auf Caravaggios reglosen Zügen.
Sein Mitgefühl hat sogar fünfzehn Jahre im Ortaccio überlebt
, dachte er.
Michele kann es vor mir nicht verbergen, obwohl der Rest

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