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Mit Blut signiert - Ein Caravaggio-Roman

Mit Blut signiert - Ein Caravaggio-Roman

Titel: Mit Blut signiert - Ein Caravaggio-Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matt Beynon Rees
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entgegen.
    Lena nahm sie an. «Sind das besondere Handschuhe zum Fußbodenschrubben?» Sie zeigte Caravaggio ihre Hände. Der Schmutz saß tief in den Knöcheln und steckte wie eine plumpe Holzkohlenskizze unter den Fingernägeln.
    «Vielleicht habe ich das Falsche gekauft?»
    Sie lächelte über seine Verlegenheit. «Sie sind schön.»
    Die Mutter des Mädchens zog ihn am Ellbogen ins Zimmer. «Kommt, Signore. Wollt Ihr Wein?»
    «Danke, Signora …?»
    «Antognetti, Anna Antognetti.» Sie goss Wein in einen dickwandigen Holzbecher.
    Der Junge greinte. Lena legte ihm die Hand auf die Stirn. «Du bist heiß, Kleiner. Immer noch krank?» Sie fütterte den Jungen mit einem in Wasser und Wein eingeweichten Stück Brot.
    Caravaggio trank. «Der Junge deiner Schwester?»
    «Wie kommt Ihr darauf, dass es nicht meiner ist?», sagte sie.
    «Er hat dich Tante Lena genannt, weißt du das nicht mehr? Als ich mit den alten Bettlern vor deiner Tür stand.»
    Lenas Mutter ergriff Caravaggios Hand und flüsterte: «DerHerr hat mir meine Amabilia genommen, als sie dem Kleinen das Leben schenkte.»
    «Sein Vater?»
    Lena konzentrierte sich auf die Schale mit verdünntem Wein, die vor dem Kind stand. Ihre Mutter nagte mit ein paar grauen Zähnen auf der Unterlippe. «In diesem Stadtviertel, Signore, könnte jeder der Vater sein.»
    «Mama.» Lena schnalzte mit der Zunge. «Nimm noch einen Schluck, Domenico.»
    Anna zuckte mit den Schultern. «Ich habe acht Kinder zur Welt gebracht, Signore, aber durch Krankheit und schwere Geburten hat Unser Herr sie alle von mir genommen. Außer meiner Lena. Nachdem mein Mann Paolo gestorben ist, habe ich sie allein durchgebracht. Ich habe Gemüse von Bauern gekauft und es dann auf der Piazza Navona weiterverkauft. Das ist kein gutes Geschäft, und die Männer haben mich behandelt, als hätte ich mich selbst zum Kauf angeboten. Meine Beine und mein Rücken erlauben es mir nicht mehr, weiterzuarbeiten. Lena macht das jetzt, wenn ihre Arbeit im Kardinalspalast es zulässt.»
    Lena war also sowohl eine
Treccola
, die ihre Waren auf der Piazza feilbot, als auch ein Dienstmädchen. Solche Arbeiten dienten häufig als Vorwände für Huren, als Ausrede, sich in der Öffentlichkeit aufzuhalten, während anständige Frauen zu Hause blieben. Er fragte sich, ob Lena es auch so hielt.
Noch eine Hure? Selbst dann, wenn ich glaube, eine ehrliche Frau gefunden zu haben?
    «Was ist Euer Gewerbe, Signore?», fragte die alte Frau. «Die Handschuhe, die Ihr ihr geschenkt habt, sind teuer. Und auch Eure Kleider waren einmal gut, obwohl sie jetzt aussehen, als wärt Ihr verprügelt und ausgeraubt worden.»
    Er grinste über ihre Freimütigkeit. «Mehr als einmal, meine Dame. Ich bin Künstler.»
    Die Freundlichkeit wich aus Annas Gesicht. Ein Künstler konnte ihrer Tochter keinen Ausweg aus dem Hurenviertel bieten. «Sie hat bereits einen anderen Verehrer.»
    Lena ließ das Brot in die Schale fallen und funkelte ihre Mutter an.
    «Einen Notar. Er arbeitet fürs Heilige Officium. Er bekommt Aufträge direkt vom Heiligen Vater.»
    «Vielleicht begegne ich ihm mal», sagte Caravaggio.
    «In dieser Gegend? Er wohnt in einem schöneren Stadtteil.»
    Er streckte die Hand aus und drückte dem Jungen das Kinn. «Wenn er für den Heiligen Vater arbeitet, ist es möglich, dass ich ihn im Quirinal sehe.»
    «Im Papstpalast?»
    «Ich bin dort jeden Tag. Ich male das Porträt des Heiligen Vaters.»
    Die alte Frau musterte ihn mit der Unverfrorenheit der Straße.
Der gleiche Ausdruck, dem ich dem Papst einzeichne
, dachte Caravaggio.
    «Ich werde bald noch mehr Aufträge bekommen. Dann würde ich gern Eure Tochter malen.»
    «Mich?»
    Die alte Frau berührte das Bein ihrer Tochter. «Wenn ich durch die Hände Gottes und der Heiligen Maria aus diesem Leben in ein besseres geleitet werde, dann brauchst du mehr als den Lohn eines Hausmädchens, Lena.»
    Das Mädchen schob dem Jungen noch ein Stück eingeweichtes Brot in den Mund. «Ich bin nicht so abgeneigt, wie du denkst, Mama. Ich mag diesen Herrn.»
    Caravaggio neigte den Kopf in gespielter Vornehmheit.
    «Als was wollt Ihr mich malen?», fragte sie.
    Er wiegte den Kopf hin und her. «Ach, wahrscheinlich als die Madonna.»
    Sie biss sich auf die Lippen. «Mich?»
    «Lach nicht, Mädchen», sagte die Mutter. «Du bist hübsch. Du wirst so gut aussehen wie die Madonnen in den Kirchen.»
    «Ach, Mama.»
    «Und der Maestro wird dich waschen.» Sie griff nach den schmutzigen Fingern des

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