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Mit Blut signiert - Ein Caravaggio-Roman

Mit Blut signiert - Ein Caravaggio-Roman

Titel: Mit Blut signiert - Ein Caravaggio-Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matt Beynon Rees
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Roms glaubt, dass er der Teufel persönlich ist.
    Caravaggio rieb sich übers Gesicht und stöhnte wie ein aus dem Schlaf erwachender Mann. Dann sah er sich angeekelt in der Taverne um.
    Onorio beobachtete, wie sein Freund sich wieder verschloss. Dennoch hatte der Tod des Mädchens für einen Moment seine harte Schale durchbrochen, und etwas Weiches war hervorgetreten.
Sie hat ihm so viel bedeutet. Aber das muss er jetzt wegschieben. Wenn man das nicht kann, muss man den Ortaccio verlassen.
«Dieses Viertel ist voll von Huren, die für dich Modell stehen», sagte er. «Such dir eine andere, Michele. Aber diesmal eine mit mehr Köpfchen.»
    «Gott sei ihr gnädig. Er hat sie zu sich genommen.»
    «Es kommt nur in Geschichten vor, Michele, dass Huren erlöst werden.»
    «Und was ist mit mir? Wie soll
ich
erlöst werden?»
    Mario kicherte, aber Onorios Antwort kam wunderlich schnell. «Deine Malerei, Michele. Deine Malerei kommt von Gott, und
sie
wird dich erlösen.»
    Caravaggio schaute ihm in die Augen. Onorio wunderte sich selbst, was er da gesagt hatte.
Kann Malerei eine Seele retten? Können die Kirchen, die ich entwerfe, Erlösung bringen? Wenn ein Künstler malt, schafft er dann in seiner Seele etwas Heiliges?
Caravaggio erwiderte sein Lächeln.
Er denkt das Gleiche.
    «Wenn ich eines Tages auch nur ein einziges Bild male, das wahrhaftig ist», sagte Caravaggio, «dann wird Gott vielleicht meine Seele zu sich nehmen, und sie wird rein sein. Aber wie soll ich wissen, wann ich dieses Bild male?»
    Onorio wusste eine Antwort, und es wunderte ihn, dass sie ihm gekommen war. «Du wirst es wissen. Du wirst dich rein
fühlen
. Als wärst du gewaschen worden.»
    Caravaggio stand auf. Er legte Onorio die Hand auf den Kopf. Dann ging er zur Tür.
    ∗
    Er nahm reines Siena und verdünnte es mit Leinsamenöl. Cecco beklagte sich über das Licht. «Es ist mitten in der Nacht, Maestro.» Der Junge drehte sich auf die Seite und zog sich die Decke über den blassen Rücken. Mit zarten Strichen legte Caravaggio einen neuen Schatten auf Prudenzas Gesicht.
Man wird sich fragen, wer du warst
, hatte er zu ihr gesagt, als sie gefragt hatte, warum er ihre Züge verschattet hatte.
Aber ich weiß es. Ich sehe durch all diese Farben hindurch. Ich sehe, was darunter liegt. Ich sehe dich.
    Er legte den Pinsel nieder.

3
Loreto-Madonna

    In den Wochen nach Prudenzas Ermordung zog sich Caravaggio von den Huren in den Tavernen und sogar von seinen Freunden zurück.
    Beunruhigt durch diesen Bruch erschien Onorio in seinem Haus. «Du musst ausgehen. Du brauchst eine Frau», sagte er. «Auch wenn es mir gegen den Strich geht, das zu sagen, solltest du es vielleicht mal mit einem Mädchen versuchen, das sich nicht verkauft.»
    «Du meinst eine …»
    «Eine ehrenwerte Frau.» Onorio lachte. «Ich muss gestehen, dass ich ohne den Einfluss meiner guten Frau völlig haltlos wäre.»
    Caravaggio dachte an Onorios Prügeleien, seine Affären mit Straßenhuren und die Beleidigungen, die er den Meuchelmördern auf den Piazzas zurief. «Dann möchte ich dich aber lieber nicht ohne den mäßigenden Einfluss deiner Frau erleben.»
    Er ging auf den Corso und kaufte ein paar Damenhandschuhe aus roter Seide. Rot, meinte er, würde ihr gut stehen. Er blickte nach Norden zu den Toren jenseits der Piazza del Popolo. Dort war Prudenza zwischen den Huren und Heiden beerdigt worden.
    Er konnte es sich kaum eingestehen, dass er sich nach Liebe sehnte.
Ein Mädchen, das keine Hure ist
, grübelte er. Jeder Pinselstrich verband ihn auf ewig mit den Frauen, die er malte. Auch wenn sie längst fort waren, litt er immer noch mit ihnen.
Weil ichsie lieben gelernt habe, das kann ich nicht leugnen. Wenn sie mir genommen werden, ist es so, als würde auch mein Werk zerstört.
    Lenas Tür stand offen. Sie hielt den Jungen unter den Armen fest. Er stand auf ihren Füßen, und sie ging mit ihm kichernd durchs Zimmer. Eine alte Frau in der Ecke applaudierte. Lena sah auf die Füße des Jungen herunter, damit sie nicht von ihren rutschten. Caravaggio fragte sich, wann er zuletzt eine solch ruhige und ungekünstelte Freundlichkeit wie die Lenas gesehen hatte. Seine Brust weitete sich, und er atmete freier.
    Der Junge sah ihn und drückte sich schüchtern an Lenas Rock.
Ich hätte etwas für das Kind mitbringen sollen
, dachte Caravaggio.
Wenn ich wiederkomme
. Es überraschte ihn, dass er sich so sehnlich ein nächstes Mal wünschte. Er trat ein und hielt ihr die Handschuhe

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