Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Mit Blut signiert - Ein Caravaggio-Roman

Mit Blut signiert - Ein Caravaggio-Roman

Titel: Mit Blut signiert - Ein Caravaggio-Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matt Beynon Rees
Vom Netzwerk:
mich geliebt hast, bist du beinah ums Leben gekommen. Die Leute sagen, ich sei ein Unruhestifter, der irgendwann jemanden umbringen wird. Als ich dich gesehen habe, wollte ich alle Gefahren meines Lebens von dir fernhalten. Ranuccio hasst mich. Er wird versuchen, mich auf irgendeine Art zu verletzen.»
    «Es gibt so viele Todesarten, Michele. Dürfen wir nicht hoffen, vorher geliebt zu werden?»
    Er fiel auf die Knie, umschlang ihre Hüfte und drückte sein Gesicht in ihren Schoß. Er atmete, als sei er eben erst durch die Wasseroberfläche gebrochen.
    Domenico schmiegte sich mit dem Kopf an ihn, lächelte und schlang sein dünnes Ärmchen um seinen Rücken.

5
Madonna dei Palafrenieri

    Er malte sie als Familie. Als seine Madonna hatte Lena für die Hausarbeit die Röcke gerafft und den nackten Fuß auf den Kopf einer Schlange gesetzt; sie lehnte sich vor, um Domenico zu stützen und anzuweisen, wie man die Schlange tötet. Der nackte Junge stellte Christus dar, und die unter seinem Gewicht zerdrückte Viper war das Symbol des Bösen. Daneben stellte Caravaggio Lenas Mutter als heilige Anna, die wohlwollende Großmutter des Erlösers, die ihre Hausarbeit unterbrach, um der Zerstörung der Verderbtheit zuzuschauen.
    Als er Lena als die tote Jungfrau gemalt hatte, hatte Caravaggio mit ihr gemacht, was er wollte.
Als wäre sie eine Hure
, dachte er.
Vielleicht habe ich mich gegenüber jeder Frau, die ich kannte, so verhalten.
Jetzt schien die Liebe zwischen ihnen klar und rein zu sein. Sie tat unaufgefordert, was er wollte.
    Noch nie war er so glücklich gewesen. Etwas in ihm war befreit worden. Er erklärte sich das durch die Lebendigkeit, mit der die Antognettis sein Atelier erfüllten, und durch seine Liebe zu ihnen. Die Art und Weise, wie Lena den Jungen kitzelte, wenn Caravaggio nicht zusah, die Begeisterung des Jungen für die Spiegel des Malers, der Stolz der Alten auf das Talent des Mannes ihrer Tochter. Er fand seine eigene Zufriedenheit sogar in den Farben wieder, spürte sie in seinem Pinsel. Auf der Leinwand kam ihm jede einzelne Falte in den Frauenkleidern ganz und gar echt vor. Er wäre am liebsten in das Bild hineingetreten. Er wusste, dass die Madonna ihn willkommen heißenwürde. Trotz allem, was er in seinem Leben falsch gemacht hatte, würde sie seinen Kopf so an ihre Brust ziehen, wie Lena es jede Nacht tat.
    Die Arbeit unterbrach er nur selten und verließ kaum noch das Haus. Er war froh darüber. Onorio berichtete ihm von den Spannungen auf den Straßen, wo sich die Leute vor den Palästen zusammenrotteten, um sich zu prügeln oder mit Steinen zu werfen. Der Zwist zwischen den Farneses und Colonnas ging weiter, und der Papst lavierte zwischen beiden Parteien. Jeden Morgen nagten Hunde an den Leichen in den offenen Abwasserkanälen.
    «Ich mische mich in diese Kämpfe nicht ein», sagte Onorio eines Tages, als er mit Neuigkeiten über eine weitere Straßenschlacht gekommen war.
    «Das sieht dir gar nicht ähnlich.» Caravaggio schaute von seiner Stehleiter herunter, auf der er die Decke über seiner Madonna in einem rauen Grün wie Kupferbelag ausarbeitete.
    «Gelegentlich bittet mich jemand darum, ihm den Kopf einzuschlagen, und dann tue ich ihm den Gefallen. Aber meistens kümmere ich mich gar nicht darum. Ohne dich macht es keinen Spaß.» Die Beschämung, die Caravaggio nach seinen Wutanfällen plagte, war Onorio fremd. Er nahm seine eigenen Wutausbrüche hin. Sie lagen in der Natur der Sache und bestätigten ihm, dass das Leben weder mehr noch weniger unmoralisch als er selbst war. Er befand sich im Einklang mit der unvollkommenen Welt. Diejenigen, die an ein besseres Leben glaubten oder sich gegen das wehrten, was sie durchpulste, waren in seinen Augen die gleichen Dummköpfe, die sich auch für eine hoffnungslose Sache opfern würden. Er kippte einen Schluck Wein hinunter und schwenkte den Rest in seinem Becher. «Ranuccio ist immer da, wenn der Ärger losgeht.»
    Caravaggio steckte sich den Pinsel zwischen die Zähne und verarbeitete die Farbe mit den Fingern. «Ach ja?»
    «Er hat mich nach dir gefragt.»
    «Grüß ihn von mir.»
    «Ich werde ihn voller Anmut beleidigen und sagen, das käme von dir.»
    Caravaggio verbeugte sich. «Zu liebenswürdig.»
    «Die zehn Scudi, die du ihm schuldest, hat er immer noch nicht vergessen.» Onorio schenkte sich Wein nach. «Und das Duell mit dir am Palazzo Farnese auch nicht.»
    Caravaggio stieg von der Leiter.
Ich habe es auch nicht vergessen
, dachte

Weitere Kostenlose Bücher