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Mit Blut signiert - Ein Caravaggio-Roman

Mit Blut signiert - Ein Caravaggio-Roman

Titel: Mit Blut signiert - Ein Caravaggio-Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matt Beynon Rees
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fassen, zog den Arm jedoch wieder zurück und stützte ihn in die Hüfte.
Ich bin allein
. Er blickte zu seinem Gemälde hoch.
Lena, sieh dir nur Lena an. Sie wird dich nicht so im Stich lassen wie diese Männer
.
    Baglione stolzierte an Caravaggio vorbei. Er bemühte sich, ernst auszusehen, doch das zerzauste Dreieck des Bartes unter seiner Unterlippe zuckte triumphierend. Die Patrone beobachteten Baglione ungeduldig.
Er beeindruckt sie nicht. Aber ich bin zu weit gegangen
, dachte Caravaggio.
Ich habe es ihnen unmöglich gemacht, mich zu verteidigen, und ich habe meinem Feind die Chance gegeben, mich zu blamieren
. In den Tavernen und auf den Tennisplätzen hatte er auf bedeutungslose Kränkungen seiner Ehre so heftig reagiert, dass er darüber vergessen hatte, die einzige Sache, die wirklich von Bedeutung war, zu schützen: seine Kunst. Er wandte sich seiner Madonna zu. Lenas Gesicht war voller Geduld und Mitleid.
    Kardinal Ascanio ging zum Portal. Baglione und die meisten Männer der Fabbrica schlossen sich ihm an. Del Monte blieb.
    Caravaggio breitete vor seiner Leinwand die Arme aus und legte die Hände auf die Röcke der Madonna und der heiligen Anna, als suchte er Halt an ihren Beinen.
    Die Kirchentür fiel zu.
    «Es ist meine Schuld. Ich gebe zu, dass ich es seit langer Zeit habe kommen sehen», sagte del Monte. «Ich hätte Euch warnen müssen.»
    Caravaggio presste sich die Handkanten vor die Augen. «Wie meint Ihr das?»
    «Meine privaten Aufträge an Euch sind eine Sache. Ich gewähre Eurem Genius alle Freiheiten.» Del Monte hob die Arme wie zu einem Bittgebet. «Aber die öffentlichen Aufträge an Euch sind immer heikler geworden. Seit Eurem
Heiligen Matthäus
habt Ihr die Künstler der alten Schule wie Baglione herausgefordert, bis sie angefangen haben, Euch zu hassen. Ihr bedroht all das, wofür sie immer gearbeitet haben.»
    «Sie sind mir egal.»
    «Aber Ihr müsst andere Künstler auf Eurer Seite haben. Kardinal Ascanio versteht nichts von Kunst – noch weniger, als er von den Werken versteht, die er auf seinen Index Verbotener Bücher setzt. Er lässt sich von bekannten Künstlern und Sammlern leiten. Ich habe mich für Euch starkgemacht, aber alle wichtigen Künstler Roms sind gegen Euch.»
    «Nicht alle. Die meisten kopieren meinen Stil – sogar Baglione.»
    «Käme es ihnen da nicht gelegen, wenn ihr talentierterer Rivale von der Bildfläche verschwände? Sie verteidigen Euch nicht. Sie schaffen Werke, die Elemente Eures Stils aufweisen, aber ohne die provokanten Ideen.» Er trat dicht an Caravaggio heran. «Unser Freund Signor Giustiniani verbirgt Euren
Amor als Sieger
im letzten Raum seiner Galerie hinter einem Vorhang. Wenn er ihn enthüllt, sind seine Gäste schockiert und entzückt – sogar angenehm erregt. Glaubt Ihr etwa, die Fabbrica wünscht, dass die Leute hier das Gleiche empfinden, während der Heilige Vater vor ihnen die Messe liest? Diese Madonna ist für die Kirche zu kraftvoll. Ihr müsst mehr Respekt an den Tag legen.»
    «Wofür? Für Kunst, wie Baglione sie sieht?»
    «Es tut mir leid, das zu sagen, aber ja. Für die Kunst.»
    «Kunst ist eine Hure, die wie eine langweilige, alte Hausfraubehandelt wird», sagte Caravaggio. «Ihr Mann besorgt es ihr immer auf die gleiche Weise. Es wird Zeit, dass jemand sie an die Wand stellt und sie so kräftig –»
    «Michele», rief del Monte, «bedenkt, wo Ihr seid!»
    «– so kräftig durchfickt, wie sie es verdient.»
    Del Monte sah zur Madonna auf. «Und natürlich seid Ihr derjenige, der das tut.»
    «Ja, das bin ich», sagte Caravaggio. «Ich habe einige Erfahrung mit Huren.»
    Del Monte strich sich über den Schnurrbart. Sein Ärger war bereits verflogen. Nun zeigte er sich besorgt. «Wenn die Kunst so eine Dame ist, meint Ihr, dass ihr dann so eine Behandlung gefallen wird?»
    «Das ist der Punkt. Es ist mir egal, was dieser Nutte namens Kunst gefällt oder missfällt. Ich bin bereit, dafür zu zahlen, und also erlaube ich mir den Spaß nach meinem Geschmack. Selbst wenn sie die Runde macht und den Leuten erzählt, dass ich weder zart noch subtil bin. Eine Hure, die man wie eine Dame behandelt, ist unerträglich.»
    Del Monte stieß einen leisen Pfiff aus. «Glaubt es oder glaubt es nicht, aber Eure merkwürdige Seele besitzt den Schlüssel zum Geist anderer Menschen. Die Anhänger des Häretikers Luther wollen den Leuten weismachen, dass Gott unmittelbar zu ihnen spricht. Die Römische Kirche glaubt, dass die Leute Gott nur

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