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Mit Blut signiert - Ein Caravaggio-Roman

Mit Blut signiert - Ein Caravaggio-Roman

Titel: Mit Blut signiert - Ein Caravaggio-Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matt Beynon Rees
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in ihren Basiliken nah sein können. Dort muss Er ihnen in Euren Bildern erscheinen. Eure Seele muss Gott erfahren, damit Ihr Ihn uns zeigen könnt.»
    «Ich dachte, meine Seele ist wichtig, damit ich Aufträge für Kardinal Scipione vollenden kann.»
    «Das bewahrt Euch nur vor dem Gefängnis. Vielleicht bewahrt es eines Tages Euren Kopf davor, vom Rumpf getrennt zu werden.» Der Kardinal sah sich die Madonna genau an. «Sie ist großartig, Michele. Ihr habt zwar die Grenzen der Kunst innerhalbder Kirche missachtet, aber Ihr habt dennoch etwas Vollkommenes geschaffen. Leider geht es nicht darum.»
    «Worum geht es denn? Wollen sie, dass ich es überarbeite?»
    Der Kardinal blickte auf die Madonna und ihr nacktes Kind. «Die Fabbrica hat bereits entschieden. Das Gemälde wird entfernt. Unpassend für den Petersdom. Ich soll einen Käufer dafür finden.»
    Caravaggio ließ sich auf die Stufe unter seiner Leinwand fallen. Er fuhr sich mit den Händen durch die Haare und massierte sich niedergeschlagen die Schläfen.
    «Bis dahin», sagte del Monte, «wird solche Kunst von Euch draußen auf der Straße sein. Wie die anderen Huren.»
    ∗
    Die Ablehnung eines zweiten Gemäldes trieb Caravaggio zurück in den Ortaccio und in das wüste, verdorbene Leben, das sich nachts dort versteckte – die Taverna del Moro, die Taverna del Lupo, die Tavernen del Torre und del Greco, die Bordelle rund ums verfallene Mausoleum des Augustus. Onorio glühte vor Schadenfreude und war froh, seinen Freund wieder für sich zu haben. Bitter, lärmend und hemmungslos beklagte Caravaggio sich über die Fabbrica und die Kardinäle und den Papst, bis ihm sogar Onorio aus Angst vor der Inquisition den Mund zuhielt.
    Zum Teufel mit Baglione
, dachte er.
Und del Monte, der mich schützen sollte. Und Kardinalnepot Scipione, was für ein Beschützer ist er denn? Und Costanza … Nein, sie verlangt nicht zu viel. Aber die anderen sollen zum Teufel gehen.
    Die Spannung, die ihn durchpulste, ließ Nacht für Nacht seinen Kiefer schmerzen. Er war ständig geladen und sturzbetrunken. Vor seinen Augen schienen del Monte und Scipione in der Taverne von Tisch zu Tisch zu huschen und Baglione mit Geldzu überhäufen, während dieser über die Leinwand der
Madonna dei Palafrenieri
hüpfte und mit Lena eine Villanella tanzte.
    Wenn Caravaggio ins kleine Haus an der Via dei Greci kam, war Lena abweisend gegenüber seinem nächtlichen Hereinstolpern, seinen Schimpfkanonaden über die Fabbrica und seinen betrunkenen Versuchen, sie zu nehmen. Er erwachte dann auf der Bettstelle hinten im Raum mit einem Kater, der mit Zähnen und Klauen aus seinem Schädel auszubrechen versuchte, während Domenico kichernd seine Füße kitzelte. Vom Küchentisch starrte Lena ihn sauer und enttäuscht an, und er sank dann wieder aufs Kissen zurück und fragte sich, um wie viel weiter er sie in der Nacht von sich weggeschoben hatte.
    Ende Mai veranstaltete der Vatikan eine Gala anlässlich des ersten Jahrestags von Papst Pauls Krönung. Nachmittags endete eine Regatta auf dem Tiber mit einer Schlägerei zwischen den Mannschaften. Ein Ruderer hatte einen anderen niedergeschlagen und wurde erstochen. Abends waren die Straßen voller Menschen, die den ganzen Tag über gefeiert hatten. Sie waren betrunken und gereizt. Jedes Lachen klang gezwungen, fast wie ein Zähnefletschen.
    Caravaggio und Onorio verließen die Taverna del Torre und gingen durch den Ortaccio zu den Tennisplätzen. Auf der Straße neben dem Palazzo Firenze wurde gespielt. Ein über die Straße gespanntes Band markierte die Platzmitte. Ein Dutzend Meter davon entfernt markierten auf beiden Seiten Kreidelinien auf dem Pflaster das Ende des Spielfelds. An den Straßenmauern drängten sich Zuschauer und wetteten auf das Resultat. Als Caravaggio und Onorio ankamen, ging das Spiel gerade zu Ende.
    «Das ist unser Freund Signor Ranuccio», sagte Onorio. «Sieht so aus, als hätte er gewonnen.»
    Ranuccio hob den Ball auf, eine in eine Lederhülle gestopfte Wollkugel mit einem Bleikern. Er schlug ihn mit seinem langstieligenSchläger in die Luft und riss die Arme hoch. Während die Wetten beglichen wurden, kam Bewegung in die Menge. Einige von denen, die gegen Ranuccio gewettet hatten, bewarfen den Verlierer mit Straßendreck.
    Ranuccio sah über die Köpfe der Wettenden hinweg. «Maler, wie wär’s, wenn du mir die zehn Scudi gibst, die du mir schuldest? Oder wir verdoppeln die Summe.» Sein Lächeln wirkte befreit und

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