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Mit Blut signiert - Ein Caravaggio-Roman

Mit Blut signiert - Ein Caravaggio-Roman

Titel: Mit Blut signiert - Ein Caravaggio-Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matt Beynon Rees
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glücklich, und dafür hasste Caravaggio ihn noch mehr.
    Caravaggio gab Onorio seinen Umhang. Er hatte mehr als genug Beleidigungen von mächtigen Männern eingesteckt, vor denen er seine Wut unterdrücken musste. Aber Ranuccios Schmähung musste er nicht hinnehmen. Die zehn Scudi waren ihm egal. Er wollte nur Ranuccio fertigmachen, sein Gesicht in den Dreck drücken und ihm damit das Maul stopfen, bis er erstickte, als könnte er auf diese Weise alle Laffen der Fabbrica inklusive Baglione erdrosseln. «Her mit einem Schläger.»
    Ranuccio kündigte seinen Aufschlag vorschriftsmäßig an. Das war eine der wenigen Spielregeln, und so rief er: «Eh!»
    Caravaggio parierte den Aufschlag. Sein Schlag prallte von der Wand des Palazzos zurück. Ranuccio erwischte ihn, aber Caravaggio schlug den Ball mit einer Rückhand direkt in die Spielfeldmitte. In der Menge wurde gejubelt. Für Ranuccio hatte die Mehrheit nur Spott übrig.
    Er ahnt es noch nicht
, dachte Caravaggio.
Er denkt, dass wir nur Tennis spielen. Er wird schon früh genug merken, um welchen Einsatz es geht
.
    Schon nach wenigen Punkten geriet Ranuccio heftig ins Schwitzen und außer Atem. «Du hättest eine Pause einlegen sollen, bevor du noch ein Spiel machst!», rief Onorio ihm zu. «Oder du hättest Michele zu einem Kartenspiel fordern sollen, damit du das im Sitzen erledigen kannst.»
    Ranuccio schnickte mit den Fingern unterm Kinn entlang.
    «Du vergeudest deine ganze Kraft, weil du deine Nutten rammelst.» Onorio heizte den Zuschauern ein. «Bei der Ertüchtigung, die man im Stehen treibt, bist du nicht so versiert.»
    Ranuccios älterer Bruder Giovan Francesco rempelte Onorio an. Sie stießen leise gegenseitige Drohungen aus.
    Ranuccio schlug auf. Er erwischte Caravaggios Rückschlag. Sein Ball sollte von der Palastwand abprallen, traf aber eine Fensterbank und sprang zu ihm zurück. Der Punkt ging an Caravaggio.
    Der Maler war von innerer Ruhe erfüllt. Aufregung kam
vor
dem Wettkampf und Angst im Bruchteil einer Sekunde, wenn eine Niederlage unausweichlich war. Die Zeit dazwischen war von instinktiver, absoluter Bedachtsamkeit auf den Wettkampf erfüllt. Seine auf Ranuccio gerichteten Augen waren ausdruckslos.
    Beim nächsten Punkt schlug Caravaggio den Ball weit und tief bis fast an die Kreidelinie. Mit vollem Tempo streckte sich Ranuccio nach dem Ball, verfehlte ihn und prallte zur Freude des Publikums mit dem Kopf gegen die Wand. Sein Bruder zog ihn vom Boden hoch. Ranuccio starrte Caravaggio an, stand breitbeinig da und umklammerte den Schläger wie eine Waffe.
    Jetzt weiß er, um was wir spielen
, dachte Caravaggio. «Mein Aufschlag.»
    Ranuccio schmetterte den Ball zu ihm herüber.
    Das Spiel war eng, die Ballwechsel waren kurz. Beide Männer schlugen so kraftvoll zu, dass der Gegner den Ball kaum im Spiel halten konnte, wenn er unter Druck geriet. Schnell kam es zum Spielball. Ranuccio trieb Caravaggio in die Enge. Er rückte ans Band vor und spielte einen langen Flugball. Caravaggio schlug den Ball weit nach außen. Er prallte vom Kopf eines Zuschauers ab. Die Richtungsänderung erwischte Ranuccio auf dem falschen Fuß, und der Ball rollte hinter ihm ins Aus.
    Ranuccio hob den Ball auf und wollte aufschlagen. Caravaggio rückte ans Band vor. «Mein Spiel, Tomassoni.»
    Ranuccio grummelte vor sich hin und machte sich zum Aufschlag bereit.
    «He,
Coglione
, du hast verloren», sagte Caravaggio.
    «Er ist vom Kopf des Idioten abgeprallt.» Ranuccio wischte sich den Schweiß von der verletzten Stirn. «Das zählt nicht.»
    «Wovon redest du? Zuschauer sind mit im Spiel.»
    «Nein, sind sie nicht.»
    «Was glaubst du denn, wo du spielst? Auf dem Platz des Königs von Frankreich? Es ist ein Straßenspiel. Du kennst die Regeln.»
    «Das Spiel ist noch nicht vorbei.» Ranuccio ging auf Caravaggio zu. «Der Ball ist nicht von dem Mann
abgeprallt
. Er hat den Kopf vorgereckt und den Ball an mir vorbeigenickt. Das hat er mit Absicht gemacht. Das verstößt gegen die Regeln.»
    Unbeherrschte Wut durchzuckte Caravaggio, das Nachbeben der Erregung, die er in Gegenwart seiner reichen Patrone hatte unterdrücken müssen. «Wenn du den Mund aufmachst, lügst du.»
    Am Straßenrand stritten die Zuschauer über den Punkt. Der Mann, den der Ball am Kopf getroffen hatte, erklärte sich für unbeteiligt, aber diejenigen, die auf Ranuccio gesetzt hatten, bedrängten ihn.
    «Wir sind noch nicht fertig!», schrie Ranuccio.
    «Halt’s Maul. Es ist vorbei. Jetzt kannst

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