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Mit Blut signiert - Ein Caravaggio-Roman

Mit Blut signiert - Ein Caravaggio-Roman

Titel: Mit Blut signiert - Ein Caravaggio-Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matt Beynon Rees
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wussten sie, dass sie gleich einen Mann sterben sehen würden, und das ließ sie verstummen.
    Mit erhobenem Degenarm näherte Caravaggio sich Ranuccio. Er tat so, als zögerte er, täuschte einen ängstlichen Blick vor. Er wollte Ranuccio eine Chance wittern lassen. Ranuccio fiel darauf herein. Er bleckte die Zähne und schlug zu. Caravaggio lockerte sein Handgelenk und erlaubte damit Ranuccio, seine Klinge nach unten zu schlagen. Die Kraft seines eigenen Schlags brachte Ranuccio aus dem Gleichgewicht; er taumelte zu Caravaggios rechter Seite.
    Dann griff Caravaggio an. Mit dem linken Fuß ein Schritt nach vorn. In hohem Bogen schwang er sein Rapier gegen Ranuccios Kopf. Die Klinge strich blitzend über den Schädel, als der Mann zu Boden stürzte.
    «Eine gute Aktion, Michele», sagte Onorio.
    Ranuccio lag auf dem Rücken, stützte sich auf die Ellbogen und spuckte auf Caravaggios Stiefel.
    «Das ist die Schande, die du dir mit deinen Beleidigungen verdient hast.» Caravaggio sprach laut, damit die Schaulustigen in den Schatten der Via della Scrofa verstanden, dass er sich für seine Ehre geschlagen hatte.
    Er machte einen Schritt rückwärts. Ranuccios Gesicht entspannte sich. Caravaggio begriff, dass der widerliche Trotz, den er noch einen Augenblick früher gezeigt hatte, Todeserwartung gewesen war und dass Ranuccio nun glaubte, am Leben bleiben zu dürfen.
    Ranuccio legte sich die Hand auf den verletzten Kopf und bewegte beim Sprechen kaum die Lippen, aber Caravaggio verstand ihn. «Ich sorge dafür, dass deine Hure Lena jeden Schwanz im Ortaccio fickt.»
    Caravaggio straffte die Rippen. Ein Satz nach vorn, und seine Klinge fuhr in Ranuccio, obwohl sich der Mann vor dem Stoß wegdrehte. Er durchbohrte seine Leiste.
    Ranuccio krümmte sich zusammen und rollte zur Seite. Caravaggio spürte seinen Degen durch Muskeln und Haut schneiden, als ob er mit der bloßen Hand durch lebendiges Fleisch wühlte.
    Mit einem Aufschrei sprang Ranuccios Bruder vor. Er zog seinen Degen und ging auf Caravaggio los. Jetzt war es kein Duell mehr, sondern eine Schlacht, und Giovan Francesco hatte sich im Feld als Held erwiesen. Caravaggio stach auf seinen Angreifer ein, doch Giovan Francesco gab ihm die einfachste, wirkungsvollste Antwort. Eine hoch angesetzte Konterripostein Gegenrichtung von Caravaggios Degen. Caravaggio hörte das Klirren der beiden Klingen, unzählige winzige Treffer, deren Tonhöhe anstieg, als Giovan Francescos Degen an seinem abglitt. Dann traf er ihn mit der Spitze unterhalb des Ohrs. Er zuckte mit dem Kopf zurück, und seine Kopfhaut platzte auf.
    Onorio stieß Giovan Francesco mit der Schulter aus dem Gleichgewicht und zog sich dann Rücken an Rücken mit Caravaggio zurück. Mario eskortierte sie mit gezogenem Degen.
    Ranuccio saß zusammengekrümmt auf dem Boden. Er öffnete die Augen; tränend und gerötet hoben sich die Lider nur schwer. Er hielt sich die Leiste. Blut lief ihm dunkel über die Hände und sickerte in seine türkisfarbenen Pantalons. Er verzog beschämt das Gesicht wie ein Mann, dem sein Einnässen peinlich ist.
    Onorio stieß mit dem Fuß gegen einen verfaulten Kohlkopf im Rinnstein. Der Straßenschlamm bespritzte das Gesicht des verletzten Kämpfers. «Ruhe in Frieden.»
    «Ich bin noch nicht tot», sagte Ranuccio.
    «Aber bald,
Cazzo
.» Onorio parierte einen weiteren Stoß Giovan Francescos.
    Ranuccio redete durch blutleere Lippen. Sein Gesicht war ernst wie das eines Vaters, der einem kleinen Kind etwas Einfaches, aber Wichtiges erklärt. «Ich will nicht sterben.»
    Caravaggio öffnete den Mund, wusste aber nicht, ob er Ranuccio trösten oder sich bei ihm entschuldigen sollte. Der Tod war für sie eine Ehrensache gewesen. Aber als nun das Blut über die Straße lief, zwischen den Pflastersteinen Pfützen bildete und von dem Gemüse aufgesogen wurde, das Händler auf dem Weg zum Markt verloren hatten, war der Tod etwas anderes.
    Während sie die Straße entlanggingen, wehrten Mario und Onorio die Schergen der Tomassonis ab. Caravaggio lief auf wackeligen Beinen zur Straßenecke. Als er in die dunkle Seitenstraßeabbog, hörte er noch Ranuccios Todesschrei, als die Torwächter der Tomassonis ihn aufhoben.
    ∗
    Die Hand fest an der Führungsleine seines Lastmaultiers ritt er dahin. Das Tier ging leicht unter seinen wenigen Habseligkeiten und seinem Malermaterial. Er schob den Hut tief ins Gesicht, um den Verband an seinem Kopf zu verbergen, und zog den Umhang bis unters Kinn hoch. Er

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