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Mit Blut signiert - Ein Caravaggio-Roman

Mit Blut signiert - Ein Caravaggio-Roman

Titel: Mit Blut signiert - Ein Caravaggio-Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matt Beynon Rees
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ritt nach Süden, vorbei an den Kuhweiden auf den antiken Kaiserforen, zum Stadttor San Giovanni. Die Wachen dösten im Schatten. An den braunen Ziegeln der Aurelianischen Mauer hing ein Fahndungsplakat. Auf ihm wurde Michelangelo aus Caravaggio wegen des Mordes an Ranuccio zum Banditen erklärt. In allen päpstlichen Landen konnte ein Mann, der den Behörden den abgeschnittenen Kopf Caravaggios brächte, eine Belohnung verlangen. Zum Zeichen der Schande seiner Strafe und zum Beweis für jeden, der ihn kannte, dass er keine Unterstützung mehr genoss, zeigte ihn das Plakat an den Füßen aufgehängt mit dem Kopf nach unten.
    Das auf dem Plakat abgebildete Gesicht war niederträchtigerweise die vereinfachte Version eines von ihm selbst gemalten: des Porträts seiner selbst im
Martyrium des heiligen Matthäus
als einer der Zuschauer, der einen mitleidigen Blick über seine Schulter wirft und sich von der Szene abwendet, in der der Heilige getötet wird.
Die Ordnungshüter beschäftigen Kunstliebhaber, um ihre Fahndungsplakate zu malen
, dachte er erbittert.
    Der Hufschlag warf unterhalb des Tores Echos, und dann war er in den Feldern. Rom lag hinter ihm, aber auch Lena. Er hatte sie nicht gefragt, ob sie ihn auf seiner Flucht begleiten wollte. Er hatte seine unsterbliche Seele gefährdet, und vielleicht war sie bereits verdammt. Auf ewig würde ihm Zufriedenheitversagt bleiben. Er wollte nicht auch sie in Gefahr bringen, nicht unter die bösen Schatten seines launischen Geistes zwingen.
Ich kann Lena nicht mitnehmen, weil ich weiß, dass ich schon bald eine erneute Ausweisung heraufbeschwören werde
, dachte er.
Und nicht zu vergessen die Tomassonis, die mir im Nacken sitzen und mein Blut wollen. Zu gefährlich, sie mit hineinzuziehen
.
    Er verließ Lena ohne jede Erklärung. Er fürchtete, dass sie ihn freiwillig in die Hölle begleitet hätte, wenn er ihr gesagt hätte, wohin er ging.

II
MALTA
Mit Blut signiert

1607

6
Bildnis des Großmeisters

    Am Bug der Galeere blinzelte Caravaggio ins Gleißen der Sonne auf den Wellen. Seine Lungen weiteten sich, als söge er reine Luft von jenseits des fernen Horizonts ein. Erst jetzt verstand er, wie sehr er in den überfüllten Straßen Neapels, wo er das letzte Jahr verbracht hatte, von Angst beherrscht worden war. Überall hatte es verräterische Schatten gegeben, in denen die Mörder lauerten. Die Gassen der Sanità bewiesen, dass Baglione im Unrecht war – Dunkelheit vertuschte keine Fehler, sondern legte Verwundbarkeit offen.
    Das offene Meer schenkte ihm ein Gefühl der Sicherheit. Hier gab es keine verdächtig hallenden Schritte, keine Soldaten, die mit Flaschen und Degen aus dem neuen Spanischen Viertel herunterkamen. Es beunruhigte ihn nicht einmal, dass diejenigen, die ihnen am Kai nachgewinkt hatten, «Gott schütze euch vor den Galeeren der arabischen Korsaren» gerufen oder dass man ihn angewiesen hatte, für den Fall eines Überfalls so lange einen Degen zu tragen, bis man in Malta anlegen würde. Die Piraten versklavten ihre Gefangenen, aber seit er Ranuccio getötet hatte, hatte Caravaggio sich selbst nicht mehr frei gefühlt.
    Unter seinen Füßen schufteten Sklaven auf zwei Decks an den Ruderbänken. Das Klatschen der Ruder hing wie ein weicher Tenor über dem regelmäßigen Bass ihres Atems. Aus den Luken dünstete der widerliche Gestank ihrer Fäkalien. Das smaragdgrüne Meer verdunkelte sich zu Oliv. Er fluchte. Erhätte ebenso gut wie die Unglücklichen unter Deck angekettet sein können.
    Er ließ den Blick übers Schiff schweifen: größer als die Galeeren Genuas, Spaniens und Venedigs, einhundertacht Ruder und zwei massive Segel, geringer Tiefgang, um die Buchten, in denen die Piraten sich versteckten, anlaufen zu können. Die
Capitana
, Flaggschiff des neuen Admirals der Ritter des heiligen Johannes von Malta: Fabrizio Sforza Colonna.
    Unter dem roten Sonnensegel über dem Poopdeck am Heck des Schiffes kam Costanzas Sohn hervor. Er legte einem seiner rot gewandeten Ritter brüderlich den Arm auf die Schulter und rief dem Steuermann einen Befehl zu. Seine Zähne glänzten im Sonnenlicht wie die Wellen. Nach der Zeit im Gefängnis normalisierte sich seine Hautfarbe wieder. Er ging zwischen den Seeleuten so entspannt und zufrieden umher wie ein Gastgeber in seiner Empfangshalle.
    Ein paar Soldaten spielten Würfeln auf dem Deck. Fabrizio warf ihnen eine Münze zu und bückte sich, um die gewürfelte Zahl abzulesen. Er fluchte gut gelaunt und genoss

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