Mit Blut signiert - Ein Caravaggio-Roman
das Gelächter seiner Marinesoldaten über den verlorenen Einsatz ihres Kommandanten.
Am Bug gesellte er sich zu Caravaggio und stemmte, um das Gleichgewicht zu halten, ein Bein gegen die massive Galionsfigur. «Ich fühle mich wie damals, als du und ich in den Maulbeerfeldern herumrannten, nur wir beide. Niemand hat uns Vorschriften gemacht.»
«Freiheit war da auch nur eine Chimäre.»
Fabrizio zog einen Schmollmund. Caravaggio bedauerte seine Worte. Sein Freund hatte fast zwei Jahre lang in einer Gefängniszelle gesessen. Man musste ihm nachsehen, dass sein Freiheitsgefühl kindlich war.
«Für mich war das keine Chimäre», flüsterte Fabrizio.
In der Stimme des neuen Admirals konnte Caravaggio dieErinnerung an zärtliche Momente hören. «Es stimmt, dass wir damals allem entfliehen konnten – jedenfalls für eine Weile.»
Einige Meilen entfernt streiften die verdorrten Hügel Kalabriens den Horizont. Er blinzelte ins Gleißen der Wellen.
«Wir werden in Malta noch einmal fliehen. Genau wie früher.»
Caravaggios Gesichtszüge strafften sich.
Glaubt er etwa, dass ich wieder so ohne Weiteres in sein Bett steige?
«Ich gehe nach Malta, weil ich deiner Mutter mein Wort gegeben habe.»
«Dann bist du gebunden.»
«Ich bin gebunden.»
Die Soldaten lärmten beim Würfelspiel. Einer von ihnen fiel auf den Rücken, weil der wütende Verlierer ihn umstieß. Fabrizio rief ihnen etwas zu, und die Auseinandersetzung war beigelegt. Das Spiel ging in mürrischem Schweigen weiter.
«Mach meiner Mutter keinen Vorwurf, Michele. Für dich ist das eine Gelegenheit. Der Großmeister der Ritter hat sich bereit erklärt, mich als Gegenleistung für deine Anwesenheit auf Malta aufzunehmen. Deine Kunst wird der neuen Stadt, die er baut, Ansehen bringen. Was den toten Jungen der Farneses anbelangt, bin ich begnadigt worden, und du bekommst ein paar gute Aufträge. Was hätte Mama mehr tun können?»
Caravaggio erinnerte sich an die Erleichterung auf Costanzas Gesicht, als sie ihm die Vereinbarung erklärte. Sie hatte ihn in ihre Gemächer im Palazzo ihres Cousins, des Prinzen von Stigliano, einbestellt, wo er während seines Jahrs in Neapel untergekommen war. Sie schien zehn Jahre jünger geworden zu sein, und Fabrizio war der Grund dafür. Er erinnerte sich dann daran, wie sie gestrahlt hatte, wenn sie den beiden Jungen in den Gärten ihres Anwesens begegnet war.
Ich hatte immer gehofft, der Grund ihrer Freude zu sein
, dachte er.
Töricht von mir. Fabrizio ist ihr eigen Fleisch und Blut
. Er betrachtete das hübsche, einladende Gesicht des Mannes an seiner Seite.
Ich wünsche es mir noch immer.Aber ich bin wie ein Pilger, der mit dem Sohn Gottes um die Liebe der Heiligen Jungfrau konkurriert.
«Du hattest natürlich auch Aufträge in Neapel.
Die sieben Werke der Barmherzigkeit
in der Kirche Pio Monte ist ein Meisterwerk», sagte Fabrizio. «Aber du warst dort zu gefährdet. Auf Malta können die Tomassonis dich nicht erwischen.»
Die sieben Werke der Barmherzigkeit
. Noch eine Madonna mit Lenas Zügen. Diesmal verströmte sie erschöpft und graugesichtig das Mitleid, das Caravaggio erflehte. «Ja, Malta ist so weit weg, dass es genauso gut die Westindischen Inseln sein könnten.»
Fabrizios Haut war glatt und frisch. Er trug seine Zuversicht so locker und beschwingt wie den bestickten Umhang auf seiner Schulter. Er strich sich sein stroh- und goldblondes Haar aus der Stirn und kaute auf der Unterlippe. Sein zögerlicher Blick suchte Caravaggios Augen. «Denkst du noch an ihn, Michele?»
«Den Mann, den ich getötet habe?»
Fabrizio nickte, und eine Haarsträhne fiel ihm über eine Augenbraue.
«Er ist noch unerbittlicher als seine rachsüchtigen Brüder», sagte Caravaggio. «Er verfolgt mich überallhin. Zweifellos auch auf Malta.»
«Dass ich mein Duell nicht verloren, sondern überlebt habe, kommt mir manchmal wie der größere Tod vor», sagte Fabrizio. «Hast du schon mal das Gefühl gehabt, dass mit ihm all deine Freiheit und Fröhlichkeit gestorben ist?»
«Mir wurden Freiheit und Fröhlichkeit an dem Tag genommen, an dem ich das Haus deiner Mutter verließ», sagte Caravaggio. «Im Lauf der Jahre hat es Momente gegeben, in denen ich sie wieder verspürte, aber meistens kam ich mir vor wie ein schwerer Mann auf morastigem Untergrund.»
Seit jenem Stoß in Ranuccios Lende hatte Caravaggio mitjedem einzelnen Pinselstrich ermessen, wie gefährdet sein Seelenheil war. Er berührte Fabrizios Schulter. «Wenn
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