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Mit Blut signiert - Ein Caravaggio-Roman

Mit Blut signiert - Ein Caravaggio-Roman

Titel: Mit Blut signiert - Ein Caravaggio-Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matt Beynon Rees
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einem die Freiheit offensteht, sieht man nur noch Beschränkungen. Am Ende tötet man einen Menschen vielleicht nur um herauszufinden, ob man auch noch das höchste der göttlichen Gebote ungestraft übertreten kann. Du und ich sind durch das, was wir getan haben, an die heiligsten Dinge gebunden.»
    Fabrizio schnaubte ein trauriges Lachen. «Eine Prüfung Gottes?»
    «Nein.» Caravaggios Stimme klang erstaunt. «Eine Gabe.»
    Fabrizio ergriff Caravaggios Handgelenk und drückte es.
    Um anzudeuten, dass sie vorsichtig sein mussten, wenn sie zusammen waren, ließ Caravaggio seinen Blick über das Schiff schweifen.
    Fabrizio zog die Hand weg. «Scipione will, dass du nur so lange auf Malta bleibst, bis die Tomassonis in deine Begnadigung einwilligen. Die Familie fordert immer noch Rache für Ranuccios Leben.» Er reckte den Hals nach den vier Schiffen, die ihnen folgten. «Auf Malta bist du vor den Tomassonis in Sicherheit. Aber nimm dich vor den Rittern in Acht, Michele. Sie haben gelobt, wie Mönche zu leben, außer wenn es darum geht, die ungläubigen Türken zu töten. Manche sind dem Töten mehr zugetan als dem Beten.»
    «Was hat das mit mir zu tun?»
    «Diese Ritter sind alle Adelige. Um dem Orden beitreten zu dürfen, muss ein deutscher Ritter in beiden Familienzweigen vier Adelsgenerationen nachweisen. Ein Franzose darf unter seinen vier Großeltern keinen Gemeinen haben, und die spanischen und portugiesischen Ritter müssen beweisen, dass sie keine jüdischen Vorfahren haben.»
    «Und du?»
    «Wir Italiener müssen in allen vier Linien seit zweihundert Jahren adelig sein.»
    Unter ihnen im Ruderdeck knallte die Peitsche über die Sklaven an ihren Rudern.
    «Es sind also eigentlich keine Mönche», sagte Caravaggio. «Es sind Prinzen.»
    «Prinzen und zugleich Piraten, die türkische Schiffe kapern. Wenn sie wieder in den Hafen einlaufen, vergnügen sie sich mit Huren und in Tavernen. Die Führer der Ritter üben kaum Kontrolle aus. Damals im Ortaccio, Michele, konntest du Leuten den Schädel einschlagen, und dann holte dich Kardinal del Monte wieder aus dem Kerker. Aber ich warne dich. Wenn du dich mit einem dieser Ritter anlegst, ist das so, als ob du den vornehmsten Familien Europas den Krieg erklärst. Sogar der Papst überlegt es sich zweimal, bevor er einem Ritter eine unfreundliche Botschaft zukommen lässt. Spiel den bescheidenen Künstler. Geh ihnen aus dem Weg.»
    Fabrizios Stimme klang wie das Summen einer Mücke, fast so entfernt wie eine Ausgeburt von Caravaggios Fantasie, bis sie mit plötzlichem Crescendo seine Haut traf und, bevor er sie erschlagen konnte, schon wieder verschwunden war.
Der bescheidene Künstler.
    «Was glaubst du wohl, was ich während des letzten Jahrs in Neapel gemacht habe?», blaffte er.
    Fabrizio drohte ihm mit dem Zeigefinger. «Ich habe dir doch gesagt, dass du dich nicht mit einem Prinzen streiten sollst.»
    Zwei Seeleute kletterten aus der Luke zum Ruderdeck. Sie schleppten den reglosen Körper eines Sklaven. Wegen der Mangelernährung war seine Haut schorfig und mit Flecken übersät. Exkremente beschmutzten seinen Lendenschurz, und von den Rudern und Ruderbänken waren seine Schenkel und Hände voller Blasen. Die Zunge hing zwischen den aufgeplatzten Lippen heraus, als suchte sie in der Luft nach Erlösung.
    An der Schulter des Sklaven hatte die Peitsche bereits vernarbte Wunden wieder aufgerissen, aus denen rote Rinnsaleüber seinen verschwitzten Rücken sickerten, als hätte sein Körper nicht einmal mehr genügend Kraft zum Sterben.
    Als die Matrosen ihn auf die Steuerbordreling hoben, stöhnte der Sklave. Sein Hals schwankte hin und her. Die Matrosen warteten, bis der Körper nicht mehr den Ruderrhythmus stören würde, und kippten dann ihre Last über Bord. Mit einem kleinen Hurraruf feierten sie den sauberen Fall. Die Luft klärte sich, als wäre der Mann ein Nachttopf gewesen, den man ins Wasser entleerte.
    ∗
    Die Fassade des Palasts des Großmeisters in Valletta war schlicht und streng. Der Palast erstreckte sich entlang dem Platz, wo der Bergrücken zu dem Hospital abfiel, dem vor 500 Jahren in Jerusalem die Berufung der Ritter ursprünglich gegolten hatte. Jenseits des Tors durchquerte Caravaggio einen üppig mit Palmen und Orangenbäumen bestandenen Hof. Zu den Gemächern des Großmeisters führte eine Rampe, damit die Ritter in ihren schweren Rüstungen leichter hinaufsteigen konnten als über eine Treppe. Der zur Kammer des Geheimen Rats führende

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