Mit Blut signiert - Ein Caravaggio-Roman
Korridor war mit grauem und rotbraunem Marmorboden ausgelegt. Caravaggio wartete auf seine Audienz.
Die Tür wurde geöffnet. Die Sitzung des Heiligen Rats war vorbei. Heraus traten die führenden Ritter jener Nationen, aus denen sich der Orden rekrutierte – Frankreich, Auvergne und Provence, Aragon und Kastilien, Italien und Deutschland –, und ein Sekretär, der die wenigen alten englischen Ritter repräsentierte, die im Orden verblieben waren, als ihr König Heinrich sich gegen die Kirche Roms gestellt hatte. Sie sahen gesetzt, ernst und schlau aus.
Caravaggio betrat die Ratskammer. Auf der gegenüberliegenden Wand zeigte ein Fresko die Ankunft der Ritter aufMalta und die Erbauung Vallettas. Ein großer, hagerer Mann im roten Gewand der Ritter musterte ihn eindringlich. Seine Augen waren blutunterlaufen und so blassorange wie in einem Ragout schwimmende Muschelschalen. Er blinzelte Caravaggio an, und seine roten Augen wirkten wie zwei Wunden in seinem Gesicht.
Durch so einen Filter
, dachte Caravaggio,
sieht man wohl nichts anderes als Blut
. Der Ritter hatte seine Hand auf den Degengriff an seinem Gürtel gelegt. Sein Bart war zerzaust und spärlich wie Schaum auf der aufgewühlten Oberfläche eines Teichs.
«Bruder Roero, Ihr dürft uns verlassen.»
Ein älterer Mann sprach von einem mit Holz vertäfelten Balkon, der vom Fresko an der Rückwand gerahmt wurde. Der jüngere Ritter ging mit bebenden Nasenflügeln dicht an Caravaggio vorbei, als wollte er einen von Caravaggio ausgehenden Geruch erschnüffeln. Er schloss hinter sich die Tür.
Caravaggio machte quer durch den Raum einen Schritt auf den alten Mann zu, der das schwarze Wams trug, das die ältesten Ritter kennzeichnete. Sein Gesicht war zerfurcht und faltig, sein weißes Haar und der Bart waren kurz geschnitten. Er spielte mit einem Rosenkranz. Caravaggio kniete vor ihm nieder, doch seine melancholischen, durch den Ratssaal schweifenden Blicke signalisierten, dass nicht er es war, den Caravaggio suchte.
Der Großmeister des Ordens saß auf seiner Estrade am Ende des Saals. Alof de Wignacourt trug sein Amtsgewand, ein Wams aus gewirktem Goldstoff und einen Umhang, der mit Unserer Lieben Frau von Liesse bestickt war. Sein Mund war verkniffen, die Stirn fleckig, als pulsierte dahinter eine Art Druck. Mit dem Zeigefinger tippte er gegen eine große Warze auf seinem Nasenflügel, und er beobachtete Caravaggios Vorrücken, als studierte er die Taktik einer feindlichen Formation auf dem Schlachtfeld.
«Eure Allerdurchlauchtigste Hoheit.» Caravaggio kniete sichauf die Stufe vor der Estrade. «Michelangelo Merisi erbittet die Gunst, Euch zu Diensten sein zu dürfen.»
Wignacourt streckte die Hand aus. Als Caravaggio seine Lippen daraufdrückte, kam es ihm so vor, als küsste er einen gepanzerten Handschuh.
«Macht mir keine Schwierigkeiten, wenn ich bitten darf, Maestro Caravaggio. Habe schon genug Ärger mit dem Heiligen Rat. Gebt mir keinen Anlass zur Verstimmung.»
Die Befehlsworte wurden in einem derart entrückten Tonfall vorgebracht, dass Caravaggio zuerst glaubte, wegen Wignacourts Italienisch mit französischem Akzent ihre Bedeutung nicht verstanden zu haben. Er schielte zu den anderen Rittern, die an seine Seite getreten waren. Der alte Mann in Schwarz zwinkerte.
«Eure Allerdurchlauchtigste Hoheit wird feststellen, wie dankbar ich bin, dass mir …» Caravaggio wollte sagen: dass mir Asyl gewährt wird, wollte jedoch nicht zugeben, dass er völlig von Wignacourts Gnade abhing. «… gewährt wird, die Ingenieurskünste der Ritter beim Bau ihrer neuen Hauptstadt auf diesem Felsen zu bewundern.»
Wignacourt befingerte seine Warze. «Ihr Künstler seid unbequeme Gesellen. Das Fresko dort, von Perez d’Aleccio. Ein wenig wie Eure eigene Geschichte. Floh nach irgendeinem Anschlag vor ein paar Dutzend Jahren aus Rom. Ging nach Neapel, kam dann hierher. Kann nicht weg. Anderswo ist er nicht sicher. Blutrache, Ihr versteht? Und wir? Haben jetzt den altersschwachen Trottel am Hals.»
Caravaggio zeigte mit dem Daumen auf das Wandbild. «Seine Kunst ist gewiss nicht so wie meine.»
Der andere Ritter lächelte.
«Es gibt noch einen anderen Künstler. Wie heißt er noch gleich?», sagte der Großmeister. «Ein Florentiner wie Ihr, Martelli.»
«Er heißt Paladini», sagte der Ritter.
«Paladini, ganz recht. Wegen eines Kampfs in der Toskana zu den Galeeren verurteilt. Endete dann hier. Zwanzig Jahre her. Wüste Bande, ihr Maler.»
«Wie ihr
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