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Mit Blut signiert - Ein Caravaggio-Roman

Mit Blut signiert - Ein Caravaggio-Roman

Titel: Mit Blut signiert - Ein Caravaggio-Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matt Beynon Rees
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sein.
Ein Mann wie Fabrizio konnte nun wirklich sein Bruder sein. Er konnte ihm und Costanza seine Freundschaft antragen. Als Dienst, zu dem ihn sein Rang verpflichtete, konnte das nicht mehr von ihm verlangt werden.
    In der Nachmittagswärme duftete der Olivenhain süß wie parfümierte Haut. Er erkannte darin den Geschmack von Fabrizios Kuss. Er ging die Treppe hinauf.
    Die Sekretäre des Admirals waren zum Mittagessen in ihre Tavernen gegangen, sodass Caravaggio auf dem Weg zu Fabrizios Privatgemächern durch sein Arbeitszimmer gehen konnte. Die Tür war nur angelehnt. Dahinter lag ein Paar roter Strümpfe auf den braunen Sandsteinfliesen.
    Caravaggio hielt an. Er hörte ein unterdrücktes Stöhnen und das atemlose Lachen eines Mannes. Er stieß die Tür auf.
    Fabrizio lag mit heruntergezogener Hose und offenem Hemd auf der Bettstatt. Er umklammerte die dünnen Beine von Nicholas, dem Pagen des Großmeisters. Die Wangen des Jungen waren gerötet, und auf seinem Gesicht lag eine furchtsame Leere.
    Der Junge sah Caravaggio. Er schlüpfte unter Fabrizio weg, raffte seine Kleider zusammen und rannte davon. Auf Fabrizios Gesicht schwand die Lust. «Wie du siehst, Michele, verführe ich immer noch kleine Jungen.»
    Caravaggio sah sich im Raum um. Er unterschied sich kaum von der Kammer, in der er und Fabrizio sich gewälzt und gegenseitig genossen hatten. Sie waren damals in dem Alter gewesen, in dem Nicholas jetzt war.
Wenn dies Fabrizios Schande ist
, sagte er sich,
warum fühle ich mich dann gedemütigt?
Das Hochgefühl über seine Ritterschaft, die Nähe zu Martelli und das Gefühl, dass er Lena nicht verloren hatte – all das war wie ausradiert. Er befand sich wieder in Fabrizios Schlafzimmer im Palazzo Sforza Colonna in Caravaggio. Er war dreizehn Jahre alt, und der Sohn seines Herren drückte ihn aufs Bett und entleertein ihn alle Schuld und alle Lust, an denen seitdem all seine Liebesbemühungen erstickt waren.
    Auf Fabrizios Gesicht zeigte sich ein Anflug von Hoffnung und aufflackernder Lust. «Komm schon, Michele. Was ist schon dabei? Erzähl mir bloß nicht, dass du nicht das Gleiche mit dem maltesischen Küchenjungen machst, den du als Gehilfen benutzt. Oder bist du etwa eifersüchtig? Eifersüchtig auf den Jungen?»
    Caravaggio ohrfeigte Fabrizio, stürzte sich schlagend auf ihn, röchelte unter Tränen, bis Fabrizio die Hände frei bekam, wegrollte und ernüchtert auf dem Bett lag. Caravaggio schluchzte, weil er Fabrizio von seinem Glück hatte erzählen wollen.
Das Einzige, was er je mit mir teilen wird, ist etwas, zu dem er genauso gut diesen Pagen zwingen kann
.
    Er eilte zur Treppe. Als er durch die Kontore ging, hörte er Fabrizio nach ihm rufen.
Ich werde ein Ritter sein. Wenn die Colonnas meinen Namen brüllen, muss ich nie wieder Antwort geben.
    ∗
    Spät in der Nacht pfiff die Wache vor der Taverne der italienischen Ritter eine orientalische Melodie, und an seiner Hüfte schwankte die Laterne. Caravaggio leuchtete mit seiner eigenen Lampe über die Leinwand und schlug nach den Moskitos. Er drückte gebrannte Umbra aus der aus einer Schweineblase hergestellten Tube und tupfte einen mittelgroßen Pinsel in Leinsamenöl, um die Farbe zu verdünnen.
    Er berührte das dunkle Ocker, das er für die Fliesen im Kerker des heiligen Johannes eingesetzt hatte, und untersuchte seine Fingerspitzen nach Farbspuren. Die Farbe war trocken und konnte mit Lasur überzogen werden. Er tauchte den Pinsel in Umbra und Leinsamenöl und führte ihn an die Leinwand.
    Aus der Entfernung würde die Lasur wie der dünne, durchsichtige Blutsaum aussehen, der aus dem verwundeten Hals desHeiligen strömte. Aber jeder, der näher herantrat, würde erkennen, wie er es gemacht hatte. Zum ersten Mal signierte Caravaggio ins Blut des Heiligen, das sich aus der Enthauptung speiste, die auch ihn schon so lange als eigenes Schicksal bedroht hatte und vor der ihn bald die Ritterschaft bewahren würde, eines seiner Gemälde als Ritter und Mönch:
Bruder Michelangelo
.
    Es kam ihm so vor, als wäre all das Blut, das er in Kämpfen und Duellen gesehen hatte, in ihn eingesickert. Es brachte weder Tod noch Schmerz – es erfüllte ihn mit Leben. Sein Blut und das Blut der Männer, gegen die er gekämpft, und das Blut des Mannes, den er getötet hatte, kochten in ihm und ergossen sich über die Leinwand. Er schrieb seinen Namen hinein, weil er vielleicht für immer bluten und sein Körper immer mehr Blut aus ihm herauspumpen würde, heiß

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