Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Mit Blut signiert - Ein Caravaggio-Roman

Mit Blut signiert - Ein Caravaggio-Roman

Titel: Mit Blut signiert - Ein Caravaggio-Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matt Beynon Rees
Vom Netzwerk:
etwas schufen oder zerstörten.
Es sind diejenigen, die den Preis jedes Atemzugs kennen.
    ∗
    Caravaggio war ins Gebet versunken, als er spürte, dass in seinem Atelier die Temperatur sank. Er zitterte und öffnete die Augen. Mit einem Ausdruck eiskalter Berechnung musterte der Inquisitor wie ein betrügerischer Heiliger
Die Enthauptung Johannes’ des Täufers.
    «Zeigt das
Euer eigenes
Ende?», sagte della Corbara.
    Caravaggio sprach noch ein Vaterunser.
    «Ich halte es für wahrscheinlicher, dass Eure Leiche verschwinden und nie gefunden werden wird», sagte der Inquisitor. «Was, meint Ihr wohl, ist schlimmer? Wie der Täufer in einem dunklen Kerker zu sterben? Oder den Himmel und die Blumen und das Meer zu sehen, wenn einem von einem Kopfgeldjäger das Haupt vom Rumpf getrennt wird?»
    «
Et ne nos inducas in tentationem, sed libera nos a malo. Amen.
»
    »Amen.» Der Inquisitor verschränkte die Hände über seinem Bauch. Es war eine Geste, die er von einem besser ernährten Priester übernommen zu haben schien. Sein eigener Körper war so mager, dass sein Gürtelband ihm beinah über die Hüften auf den Fußboden rutschte. «Wie ich höre, hattet Ihr unten im Hof eine Auseinandersetzung mit Bruder Roero. Als Mann der Kirche unterliege ich nicht den Gesetzen der Blutrache. Vielleicht vermittle ich zwischen Euch beiden, damit die Ranküne nicht weiter eskaliert.»
    «Ihr müsstet Euch gewiss auf die Seite des Ritters schlagen. Er ist genau wie Ihr Mitglied eines heiligen Ordens.»
    «Roero hat keinen Respekt für die Kirche. Er erfüllt den Willen des Heiligen Vaters, indem er gegen Ungläubige kämpft, das ist wohl wahr. Aber ich rechne solche Mörder nicht dem echten Klerus zu.»
    «Ein Inquisitor sollte nicht so leichtfertig von Mord reden.»
    «Vor einem Mann, der daraus Gewinn zieht, die Abschlachtung eines Heiligen zu malen? Warum nicht?» Der Inquisitor ging vor der Leinwand auf und ab.
    Caravaggio griff zu einem trockenen Pinsel, um das Ocker und gebrannte Umbra an der Kerkerwand des heiligen Johannes zu reliefieren. Das Knistern des Pinsels klang in der Stille laut.
    «Der Täufer auf Eurer Leinwand ist tot», sagte della Corbara, «aber Ihr müsst noch sein Blut malen. Ich frage mich, obIhr endlich an die Grenzen Eurer Nachahmung natürlicher Dinge stoßt.»
    «Wie meint Ihr das?»
    «Vielleicht ist Blut Euch zu nah. Zu dicht an Eurem eigenen, das genau wie das des Täufers auf Befehl eines Königs vergossen werden könnte.»
    «Der Papst ist kein König.»
    «Größer als Könige. Das macht Euer Verhängnis noch klebriger.»
    «Ich habe das Blut noch gar nicht gemalt. Was soll’s? Ich komme noch dazu.»
    «Euer heiliger Johannes ist eindeutig tot. Tot auf dem Boden eines dreckigen Hofs, bleich und leblos. Er fährt nicht in den Himmel auf, wie es die Heiligen in der Kunst sonst zu tun pflegen.» Der Inquisitor rieb sich mit dem Daumen über die Lippen. «Wenn es nicht einmal der Täufer ins himmlische Paradies zu schaffen scheint, müsst Ihr doch
Eure eigenen
Aussichten auf Erlösung stark bezweifeln.»
    «Wenn ich mich mit Erlösung befasse, ist das ein Beweis für meinen Glauben an Gottes Gnade. Wenn ich nicht glauben würde, wären mir meine Sünden oder meine Seele gleichgültig.»
    «Dann möge Er Euch segnen.» Der Inquisitor hob segnend die Hand.
    Caravaggio zuckte zusammen. Er empfand die Geste des Mannes nicht als liebevolle Absolution, sondern als unerwünschte Zudringlichkeit, die ihn auf die Probe stellte. «Warum seid Ihr noch einmal gekommen? Ich werde das, was Ihr wollt, nicht tun. Ich werde Euch keine Berichte über die Ritter liefern, selbst wenn Ihr mir sagt, dass dieses Gemälde gegen die Kirchenregeln verstößt.»
    Der Inquisitor sah auf seine Hände und schob sie in die Ärmel seiner Soutane. «Duelle, wie Ihr eins mit Signor Ranuccioausgetragen habt, unterliegen der Rechtsprechung der Inquisition. Ich könnte Euch nach Rom ausliefern. Nicht einmal der Großmeister könnte mich daran hindern.»
    «Warum liefert Ihr ihn dann nicht gleich auch aus?»
    Della Corbara zog eine Hand aus der Soutane und schlug Caravaggio auf die Wange. «Weil ich einen Zeugen für dieses furchtbare Verbrechen brauche!», schrie er.
    Caravaggio ballte die Fäuste, hielt sich aber zurück. Der Schlag war aus lauter Wut erfolgt, und Caravaggio wusste, dass er Ausdruck der Hoffnungslosigkeit des Inquisitors war.
    Della Corbara hob entschuldigend die Hände. «Vergebt mir. Der Teufel ist listiger als ich.

Weitere Kostenlose Bücher